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Start zur 3. Etappe: Indonesien
Endlich geht es wieder weiter!
Nach 6 Jahren seit dem Start der Weltreise, 40 Ländern und knapp 140‘000 km, hatte ich mich dazu entschieden, die BMW F 650 Dakar in den Philippinen zu lassen, zurück in die Schweiz zu fliegen um ein neues Gerät zu kaufen, von der Firma TOURATECH umbauen zu lassen und es dann direkt nach Jakarta zu senden, wo die dritte Etappe beginnen sollte.
Die Dakar hatte mich zuverlässig um die halbe Welt gebracht und ausser den normalen Verschleissteilen, einem Regler, einem Benzinfilter und einer gebrochenen Cockpitbefestigung, ist nichts kaputt gegangen (den grossen Ärger, den ich mit dem Federbein hatte, schreibe ich Wilbers zu und nicht BMW). Sie hatte mich immer zuverlässig ans Ziel gebracht und sie hat sich unter den verschiedensten Verhältnissen als robust und zuverlässig erwiesen. Einzige Macke, wie sich herausstellen sollte, war der Kaltstart nach einer Nacht über 4‘000 Meter. Da war wohl die Luft zu dünn und ich musste mich regelmässig anschieben lassen (oder anrollen). Auf der Uhr sind nun Total ca. 155‘000 km drauf, der Motor war noch nie geöffnet worden und alle Dichtungen sind noch die ersten (ausser die der Gabel). Erstaunlich, aber natürlich super! Da ich bekanntermassen ein zweites Zuhause in den Philippinen habe, steht mir dort nun ein gutes Motorrad zur Verfügung, das mir eigentlich noch einige Jahre dienen sollte. Da die Schäden garantiert noch kommen werden, denn alles Mechanische nutzt sich unweigerlich ab, und ich es nicht riskieren wollte, mitten im Outback von Australien oder z.B. in Sibirien oder der Mongolei mit einem kapitalen Schaden liegen zu bleiben, machte der Entscheid doppelt Sinn. Nun stellte sich nur noch die Frage nach dem Nachfolgemodell. Nach diversen Testfahrten auf verschiedenen in Frage kommende Modellen und nach lesen von Test- und Erfahrungsberichten, hatte ich mich schlussendlich für die BMW F 800 GS entschieden. 35 PS mehr Power und nur wenig schwerer als die 650er, aber dennoch lange nicht so schwer wie die 1200er. Eine ausgezeichete Wahl, wie sich noch herausstellen sollte…
Meine neue von TOURATECH umgebaute BMW F 800 GS
Aber erstmal musste ich das Bike aus dem Indonesischen Zoll bekommen, was eine heikle Mission wurde. Heikel deshalb, weil die Beamten eine korrupte Bande waren. Aber der Reihe nach…
Über Facebook hatte ich Kontakt mit einem Biker aus Jakarta. Freundlicherweise durfte ich bei ihm und seiner Familie wohnen. Er nahm extra für mich 2 Tage frei um mir beim Auslösen des Motorrades zu helfen. Es war auch bitter nötig, denn keiner konnte (oder wollte) Englisch sprechen. Am ersten Tag wurden wir von Büro zu Büro geschickt, um am Abend wieder im ersten Büro zu stehen. Nicht, aber auch gar nichts, hatte sich am Ende des Tages bewegt! Alle stellten sich dumm oder wollten sich offensichtlich nicht mit meinem Fall beschäftigen. Es war sehr frustrierend. Am zweiten Tag meinte Bernard, mein Begleiter, dass wir wohl nicht um ein sogenanntes „moneyshake“ herumkommen würden. Ein moneyshake ist ein Händedruck, bei dem ein in der Handinnenfläche gefalteter Geldschein den Besitzer wechselt. Also fingen wir den nächsten Tag mit einem moneyshake an und siehe da, gleich um zwei Stufen freundlicher wurden wir ohne Umwege zum richtigen Büro geschickt. Der nächste moneyshake bewegte den Mann, seinen Vorgesetzten zu rufen und der, wiederrum, kramte nach seinem erhaltenen moneyshake die richtigen Papiere hervor. Wir wurden sogar in den Bereich hinter den Schaltern und an einen Tisch gebeten. Dort wurden wir eine Zeitlang sitzen gelassen, bis sich der nächsthöhere Beamte sich ein wenig mit meinem Begleiter unterhielt (ohne moneyshake!) um dann seinerseits seinen Vorgesetzten zu holen (die Abzeichen auf der Schulter wurden immer umfangreicher). Offensichtlich, nun den Chef vor uns zu haben, plauderten Bernard und er eine ganze Weile über irgendwas. Ich habe natürlich nur Bahnhof mitbekommen. Doch dann kam plötzlich Bewegung in die Sache. Ich fragte Bernard später, was sie geredet hätte und warum plötzlich alles so geschmiert lief. Bernard meinte nur, er habe dem Chef erzählt, dass ich um die Welt fahren würde und von den Schweizer Botschaften begleitet und unterstützt würde. Wenn er nicht sofort kooperieren würde, bekäme er Probleme mit der Schweizer Botschaft und damit politische Problem. So ein verdammtes Schlitzohr! Vermutlich wurde es ihm jetzt mulmig und die Sache war ihm nicht mehr geheuer. Er hiess plötzlich einen seiner Untergebenen, einen bestimmten Stempel zu holen. Und nun fragte er mich doch tatsächlich auf Englisch (der Mistkerl konnte nämlich schon ein wenig Englisch!), was er mit dem Carnet machen solle. Offenbar hatten die keine Ahnung, wie man mit einem Carnet verfahren muss. Er erklärte mir, dass Indonesien kein Mitglied des Zollabkommens sei (obwohl es auf der Rückseite des Carnets erwähnt ist). Offenbar hat das Parlament das Abkommen nie ratifiziert. Das bedeutete, dass ich ein separates Schreiben erhalten sollte, das eine temporäre Importbewilligung darstellen würde. Ich müsste das Papier dann bei der Ausreise abgeben (in Wirklichkeit hat dann bei der Ausreise kein Hahn nach dem Papier gekräht. Das Carnet wurde abgestempelt und fertig waren die Ausreiseformalitäten). Auf jeden Fall erhielt ich das Schreiben, das Carnet wurde nach meinen Instruktionen abgestempelt und der Chef wies einen weiteren Mitarbeiter an, mit uns zum Lagerhaus zu gehen. Unterwegs zum Lagerhaus forderte der Typ natürlich auch noch seinen Tribut ein. Im Lagerhaus sass dann ein weiterer kleiner König. Sein Reich war das Lagerhaus und alles tanzte nach seiner Pfeife. Selbstverständlich forderte auch er seinen Obolus. Nach dem üblichen Frage- und Antwortspiel, wies er endlich den Gabelstapelfahrer, die Kiste aus den Tiefen des Lagers zu holen. Der Beamte, der die Ware kontrollieren sollte, warf nach dem Öffnen der Kiste einen kurzen Blick rein, erkannte ein Motorrad, schon machte er sein Kreuzchen auf die Papiere und gut war’s. Nichts, aber gar nichts, hatte er kontrolliert. Nicht mal die Chassisnummer. Ich hätte alles Mögliche einführen können. Wenn ich da an Mexico zurück denke, wo sie jedes einzelne Gepäckstück in die Hände nahmen und kontrollierten. Ich vermute mal, dass das einer der Vorteile der Korruption ist…
Auf jeden Fall hatten wir Dank der Schmiererei und der abstrusen Geschichte von Bernard das Motorrad innert eines Tages aus dem Zoll raus. Und da es bereits Freitag war, konnte ich mir die Lagergebühren übers Wochenende sparen. Doch nun kam ein weiterer, spannenden Teil auf mich zu, nämlich mit voll beladenem Motorrad durch den unglaublich dichten und verrückten Verkehrs Jakartas zu zirkeln. Während wir unter den neugierigen Augen von etwa 20 Lagerarbeitern, Chauffeuren und Rampenhilfsarbeiter das Motorrad wieder zusammensetzten, trafen mehr und mehr Mitglieder des Motorradclubs meines Begleiters Bernard ein. Er rief sie an und teilte ihnen mit, dass es langsam so weit wäre, mich durch Jakarta zu eskortieren. Ich erwähne dies, weil es eine unglaubliche Show war, die die Jungs abzogen. Ihre Motorräder, alles kleine Bikes mit max. 250 ccm, waren mit verschiedensten Lichtdekoration verziert, hatten teilweise Blaulicht und Sirenen wie die Polizei und benahmen sich auch wie diese. In der Mitte der Fahrbahn fahrend, scheuchten sie die Autos mit Handzeichen oder manchmal auch mit auf das Dach oder Kotflügel klopfen, beiseite und fuhren dem Gegenverkehr praktisch vor die Kühler und streckten ihnen den Fuss entgegen, so dass die ausweichen mussten und wir eine schöne Gasse von etwa 2 Meter hatten. Für mich jedoch - mit den Seitenkoffern und 1.10 m Breite - teilweise eine ganz schöne Zirkelei. Man muss wissen, dass der Verkehr in Jakarta ein absoluter Horror ist, ein täglicher Kollaps auf den Strassen, hoffnungslos überfüllt. Für die Durchquerung der Stadt – und das mussten wir - braucht man nahezu 4 Stunden, ausser man ist vor 5 Uhr morgens unterwegs. Nun, unser lärmiger, entschlossener und rücksichtsloser Korso bewältigte die Strecke in etwas über 2 Stunden. Ich kam mir vor wie ein V.I.P. Doch wenn ein Motorradclub gemeinsam unterwegs ist, ist das das einzige Mittel, um vorwärts zu kommen. Offenbar sind sich das die Automobilisten gewöhnt, denn sie machten (meistens) breitwillig Platz. Wenn nicht, gab’s ein Hupkonzert und Hiebe auf die Motorhaube und Dach…
Mitglieder eines der vielen Clubs in Jakarta (hier beim „Monas“ dem nationalen Monument im Zentrum von Jakarta)
Nach ein paar weiteren Tagen Aufenthalt in Jakarta bei Bernard, während dem ich viele weitere Mitglieder diverser Motorradclubs kennenlernte, wurde es langsam Zeit, die Reise zu beginnen. Ich erhielt eine Eskorte bis zum Ausgang der Stadt und zwei Biker begleiteten mich sogar bis zum nächsten Etappenziel – die Stadt Bandung. Bandung liegt etwa 200 km weiter südöstlich von Jakarta. Dort erwartete mich bereits der nächste Motorradclub und auch diese brachten mich privat bei einem der Mitglieder (und seiner Familie) unter. Es ist phänomenal wie viele Motorradclubs es in Indonesien gibt und wie freundschaftlich sie miteinander verbunden sind. Es existiert so was wie ein Netzwerk über ganz Indonesien. Viele reisen an irgendwelche Motorradtreffs und lernen so immer wieder neue Biker kennen. Das Schöne ist, dass die Religion überhaupt kein Thema ist. Da verbrüdern sich Moslems (die Mehrheit) mit Christen, Hindus oder Buddhisten und teilen ihre Liebe zu den Zweirädern. Was sehr beeindruckend ist, ist wie respektvoll und freundlich alle miteinander umgehen. Und wie sie mich alle freudig empfingen, neugierig ihre Fragen stellten und zig Fotos mit ihren Handies schossen. Allerdings war die Kommunikation nicht immer einfach, da viele des Englischen mehr schlecht als recht mächtig waren. Aufgrund ihres grossen Freundeskreises verbreitete sich die Kunde meiner Ankunft in Indonesien rasant und ich wurde durchgehend und auf jeder Insel bis und mit Flores von Motorradclubs oder zumindest von Motorradfahrer, die alle in irgendeinem Club sind, willkommen geheissen. Es war einfach genial!
Ich blieb ein paar Tage in Bandung und wir machten Tagestouren. Sie zeigten mir die Umgebung, Aussichtspunkte, Vulkankraterseen, ihre Kirchen oder Moscheen (die jeweils gleichzeitig ihre Club-Stützpunkte waren) und verschiedenste indonesische Leckereien. Es war so was von herzlich, aufmerksam und respektvoll, dass es mir schon fast peinlich war. Was für eine überwältigende Gastfreundschaft! Natürlich liessen sie mich nicht gehen, bevor ich mit allen möglichen Geschenken wie z.B. T-Shirts, Sticker, Schlüsselanhänger, Süssigkeiten oder sonstigen Kleinigkeiten regelrecht überhäuft war. Doch ich musste trotz ihres Protestes langsam weiter ziehen. Ein paar begleiteten mich am Abreisetag noch für ca. 50 km und das erste Mal war ich nun wirklich alleine unterwegs. Doch nicht für lange, denn am späten Nachmittag wurde ich in der nächsten Stadt (Ciamis) bereits wieder in Empfang genommen. Die Bande hatte sich auf der Strasse aufgestellt und passte mich einfach ab, da sie von den Brüdern in Bandung erfuhren, dass ich in ihre Richtung fuhr. Also wurde ich am Abend wieder privat untergebracht und die nächste Party wurde vom Zaun gelassen…
So ging das durch ganz Jawa, Bali, Lombok, Sumbawa und Flores. Erst in Timor, das offenbar zu weit weg vom pulsierenden Zentrum entfernt liegt, hatte ich keinen Kontakt zu Bikern mehr. Es war eh der letzte (und kleinste Teil) der Indonesien-Etappe…
Ein typischer indonesischer Biker mit seinem aufgemotzten Moped
Leider hatte ich grosses Pech mit dem Wetter. Die ersten 5 Wochen regnete es quasi ohne Unterlass. Jeden Tag fuhr ich im strömenden Regen. Zum Regen kam vor allem auf Jawa ein immenser Verkehr dazu. Dies erforderte höchste Konzentration, da der Verkehr wegen den meistens uralten Lastwagen sehr oft stockte und nur langsam vorankam, und ich deswegen meistens am Überholen war. Nun kamen mir die zusätzlichen Pferdestärken natürlich sehr entgegen. Der starke Regen und der stetige Gegenverkehr machten die Durchquerung von Jawa zum ziemlichen Abenteuer und eher unangenehm. Ich befand mich mitten in der Regenzeit – und das Wetter hielt sich eisern daran. Zusätzlich sehr unangenehm machte es die hohe Luftfeuchtigkeit und Wärme. Aussenrum zwar wasserdicht eingepackt, doch schwitze ich von innen her alles klitschnass, so dass ich genauso gut ohne Regenschutz hätte fahren können. Abends war meine Haut regelmässig dermassen aufgequollen, als wäre ich stundenlang in einem Bad gelegen…
Bedingt durch das schlechte Wetter, verpasste ich die einen oder anderen Höhepunkte auf Jawa, wie z.B. Vulkane oder Vulkankraterseen. Sehr schade, aber daran war leider nichts ändern. So besuchte ich statt Natursehenswürdigkeiten eben von Menschenhand erschaffene wie z.B. der berühmte Borobudur Tempel, eine der grössten buddhistischen Tempelanlagen in Südostasien (erbaut zwischen 750 und 850) oder den Prambanan Tempel, der grössten hinduistischen Tempelanlage Indonesiens (erbaut um 850). Beide Tempelanlagen sind spektakulär und allemal einen Besuch wert.
Borobudur-Tempel
Borobudur-Tempel
Prambanan-Tempel
Prambanan-Tempel
Für näher Interessierte hier noch die Links zu mehr Info’s (Wikipedia)
Borobudur: http://de.wikipedia.org/wiki/Borobudur
Prambanan: http://de.wikipedia.org/wiki/Prambanan
Nach so viel intensivem Verkehr, beschloss ich, die Hauptrouten trotz starkem Regen zu verlassen und kleinere Nebenstrassen zu nehmen. Ich wusste, dass ab Jogjakarta (wo der Tempel Prambanan steht) eine schöne Küstenstrasse existiert, die an tollen Stränden entlang führt (die mir sehr empfohlen wurden). Zum Glück beruhigte sich das Wetter ein wenig, indem der Regen nun erst gegen Ende Morgen einzusetzen begann. So konnte ich wenigstens morgens etwas gemütlicher unterwegs sein. Und wie versprochen, war die Strasse der Küste entlang tatsächlich sehr schön und vor allem massiv verkehrsärmer. Nun konnte ich die Fahrt sogar richtig geniessen. Da das Wetter an dem Tag, an dem ich auf die ersten schönen Strände stiess, sogar richtig schön war, beschloss ich einen gemütlichen Tag am Strand, der Indrayanti beach hiess, zu verbringen. Ich fand ein tolles Bungalow, das ich für 2 Nächte mietete. Doch oh je… am nächsten Tag regnete es wieder Bindfäden und ich verbrachte quasi den ganzen Tag in der Hütte und las ein Buch. So viel zu meinem erträumten, ersten Strandtag in Indonesien…
Endlich gutes Wetter - am ersten schönen Strand auf Jawa angekommen
Klar, dass ich am nächsten Morgen wieder weiterzog. Der Wettergott hatte wohl ein Einsehen und bescherte mir wenigstens morgens etwas freundlicheres Wetter, doch spätestens ab Mittag begann es jeweils wieder zu regnen. Das sollte bis zur Insel Lombok so blieben…
Die Fahrt der Küste und den schönen Strandstränden entlang, die sich immer wieder mit Reisfeldern abwechselte, war eine wunderbare Fahrt. Jedoch führte die Strasse relativ bald wieder auf die Hauptachse zurück. Da ich, durch das miese Wetter bedingt, ein weiteres Ziel, nämlich den Vulkan Bromo, in dessen Krater man fahren kann, und auch sonst keine weiteren Sehenswürdigkeiten besuchen konnte, beschloss ich nun Jawa aufzugeben und so schnell wie möglich nach Bali zu kommen. Ich hatte die Hoffnung, dass das Wetter dort ein wenig besser sein würde, da man mir sagte, dass wie weiter östlich ich komme, das Wetter immer besser würde. In drei Tagen schaffte ich es zur Fähre. Ich bestieg die Fähre bei annehmbarem Wetter, in Bali jedoch wurde ich wieder von strömendem Regen empfangen. Ich wurde in Dempasar/Kuta, dem Hauptort von Bali, wieder von einer weiteren Motorradgang erwartet und so fuhr ich auf direktem Weg die Westküste runter an die Südküste, an der Kuta liegt.
Da ich eine indonesische SIM-Karte hatte, wurden jeweils die Telefonnummern ausgetauscht. Auch richteten wir eine What’s App-Gruppe ein, die im Laufe der Reise immer mehr anschwoll. Darüber wurde ich ständig begleitet, indem immer wieder Anfragen kamen, ob alles ok sei und wo ich gerade sei. Es wurde also über mich gewacht. Hätte ich nur das geringste Problem gehabt, wäre sofort Hilfe organisiert worden. Ein beruhigendes Gefühlt…
Ich hatte also die Tel.-Nr. eines der Mitglieder in Kuta und rief ihn an um meine Ankunft zu melden. Wir traffen uns und er half mir, eine günstige Unterkunft zu finden. Für den Abend wurde der Club mobilisiert und die nächste Party war aufgegleist…
Treffen mit Mitgliedern eines Motorradclubs in Kuta
Unter vielen anderen lernte ich dabei einen Jungen namens Mario Iroth kennen. Er ist 28 Jahre alt und so was wie ein Held. Wie so viele träumte auch er von einer grossen Motorradreise. Da er, wie die allermeisten auch, nicht gerade eben auf Rosen gebettet ist, hatte er für die Finanzierung einer Reise eine Wohltätigkeitsaktion auf die Beine gestellt. Er sammelte Geld für eine Schule für Weisenkinder in Kambodscha. Er war dabei so erfolgreich, dass er sogar ein Motorrad gesponsert erhielt. Damit fuhr er dann nach Kambodscha und überreichte der Schule einen Check. Er dokumentierte die Reise gewissenhaft, die Presse nahm die Geschichte auf und er bekam sogar einen Auftritt am Fernsehen. Es war für ihn eine sehr erfolgreiche Aktion und schon träumt er von seiner nächsten, noch grösseren Reise. In seinen Träumen sieht er sich in Südamerika herumtouren…
Mario Iroth und seine 175ccm-Maschine, mit der er die Wohltätigkeitsreise machte…
Beruflich arbeitet er in einer Bungalow-Überbauung, macht die Vermietung und ist für die Instandhaltung verantwortlich. Der Lohn ist bescheiden und deshalb ist er bereits wieder am Rühren der Werbetrommel, um genügend Mittel für die nächste Reise sammeln zu können. Wie der Zufall es so will, hatte er anlässlich einer Einladung in Jakarta, den offenbar erfolgreichen und bekannten indonesischen Werbefotograf und Dokumentarfilmer Novijan Sanjaya kennengelernt, der in einer anderen Sache zufällig auch gerade bei dieser Veranstaltung dabei war. Der Werbemann fand grossen Gefallen an Mario’s Sache und erklärte sich spontan bereit, einen Werbefilm über ihn und seine Wohltätigkeitsreisen zu drehen. Sie vereinbarten einen Termin und, ihr könnt es euch wohl denken, war ich zufällig ausgerechnet an diesem Termin anwesend. So lernte auch ich Novi, wie er sich nennt, und seine Frau kennen. Er spricht perfekt Englisch und Französisch (!). Dazu sprach er recht gut Deutsch. Wir verstanden uns blendend – ein aussergewöhnlich freundlicher, lustiger und sehr interessanter Zeitgenosse! Natürlich wollte er auch meine Geschichte hören. Da auch er ein Reisevogel ist, war er von der Geschichte begeistert und lud mich ein, die bevorstehenden Aufnahmen mit Mario zu begleiten. Wenn noch genügend Zeit bleiben würde, würde er gerne ein Interview mit mir führen und ein paar Aufnahmen von mir machen...
Am darauffolgenden Tag fuhren wir ins Hinterland, weg vom hoffnungslos überfüllten und lärmigen Denpasar/Kuta und raus in die Natur. In einer wunderschönen, hügeligen und von Reisfeldern dominierten Gegend fuhr Mario mit seiner zum Schein voll beladenen Maschine hin und her und Novi filmte und fotografierte ihn. Als Höhepunkt hatte er einen kleinen, selbstgebauten Quadcopter (Helicopter mit 4 Propellern) mit daran montierter GoPro-Kamera und machte damit tolle Luftaufnahmen.
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Novijan Sanjaya mit seinem GoPro-Quadcopter
Das Wetter hielt durch und so kamen die zwei gut voran mit der Arbeit. So blieb am Ende Zeit, um auch ein kleines Interview mit mir zu führen und ein paar Bilder zu schiessen.
Hier das Resultat: https://www.youtube.com/watch?v=kXvwSe6G_To
Nach ein paar tollen Tagen in Kuta mit den Bikern wollte ich langsam los, um Bali richtig zu erkunden. Man sagte mir, dass Weihnachten in Ubud sehr schön sei und da wir kurz vor Weihnachten standen, fuhr ich erst mal nach Ubud. Das liegt nur etwa 2 Std. nördlich von Denpasar. Allerdings muss ich leider sagen, dass ich Ubud nicht gerade umwerfend toll empfand, da es total touristisch war und von eben diesen ziemlich überflutet war. Jedoch trotzdem interessant. Das Schönste an Ubud war, so fand ich, die vielen, vielen privaten Haustempel. Praktisch kein Haus hatte nicht seinen eigenen, kleinen Tempel. Bali ist mehrheitlich hinduistisch und entsprechend werden Ganesha, Hanuman, Shiva, Brahma und Konsorte gehuldigt. Jeden Morgen zeichnen die Frauen ihr Symbol und legen etwas klebrigen Reis auf einem Stück Bananenblatt zusammen mit Räucherstäbchen und Blumen auf den Gehsteig vor dem Haus. Danach wird der Hausaltar mit Essen, Trinken, Blumen und Räucherstäbchen für die Götter geschmückt. Sehr schön anzuschauen, wie die Frauen anmutig mit einer Lotusblüte zwischen Zeige- und Mittelfinger geschmeidige Bewegungen zur Gottheit hin machen, dabei ein kurzes Gebet sprechen und dannach den Altar schmücken. Dasselbe geschieht mit den vielen öffentlichen Tempeln in der Stadt (und überhaupt auf ganz Bali). Manchmal setzte ich mich vor einen Tempel und schaute dem quasi nie endenden Strom von (vorwiegend) Frauen zu, der die Tempel schmücken, Essen, Trinken, Lotusblüten bringen und unzählige Räucherstäbchen anzünden. Und zwar ganze Platten voll, es gibt ja schliesslich so viele Götter, die befriedigt werden wollen…
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Erstmals wurde mir bewusst, wie viele Tempel es auf Bali gibt. Die Insel wird ja nicht umsonst Insel der tausend Tempel oder der tausend Götter genannt. Oder einfach nur die Götterinsel. Sie wird von Hindus und Buddhisten dominiert. Obwohl Indonesien islamisch geprägt ist, findet der Islam auf Bali kaum statt. Zumindest nicht offenkundig sichtbar. Nicht wie auf Jawa, wo man in jedem Dorf mindestens eine Moschee findet und zu den Gebetszeiten einem die Muezzin von überall her die Ohren vollschreit. Doch hier herrschen ganz klar die Götter der Hindus und Buddha über die Insel. Entsprechend kann man uralte Tempel in allen Grössen besichtigen. Sehr beeindruckend und wunderschön…
Was zwar auch touristisch war, jedoch trotzdem unbedingt besuchenswert, war ein Theater, bzw. ein Tempel, wo klassische, balinesische Tänze sowie Theatervorführungen, in denen Geschichten alter Sagen aufgeführt werden. Damit lockt Ubud ebenfalls viele Touristen an. Ich musste nach den Vorführungen (ich besuchte 2 Verschiedene) zugeben, dass dies ein guter Grund ist, um Ubud zu besuchen. Mir hatte es auf jeden Fall sehr gut gefallen…
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Theater- und Tanzvorführung in Ubud
Nebst den vielen Tempel, dem Theater und gutem, internationalem Essen (auf Touristen zugeschnitten) gibt es in und um Ubud noch einen Wald voller Affen (monkey forest), ein paar alte Tempelruinen, Höhlen und sehr schöne Reisterrassen zu besichtigen. Drei Tage Ubud sind definitiv genug. Als ich beschloss weiterzuziehen, kam plötzlich der Anruf von Mario Iroth, dass er und ein paar Kumpels mich am nächsten Morgen in Ubud besuchen kommen würden und mit mir eine kleine Tagesrundreise um Ubud machen möchten, um mir ein paar Sehenswürdigkeiten zu zeigen und um einfach einen Tag lang zusammen Motorrad zu fahren. Klar doch, super Sache! So erwarte ich die Jungs am nächsten Morgen und wir verbrachten einen tollen Tag zusammen. Sie brachten mich zu einem ganz besonderen Tempel, bei dem die Hindus Schlange stehen, um eine rituelle Waschung in voller Kleidung vorzunehmen. Dabei bewegen sie sich im grossen Becken von einem Ausguss zum nächsten und machen dabei den „Wai“, also die Hände mit den Innenflächen auf Stirnhöhe zusammenhalten und murmeln dabei ein paar Gebetsworte. Der Tempel heisst Pura Tirta Empul und ist eines der meistbesuchten Wallfahrtsziele der Balinesen, denn das Quellwasser gilt als heilig. Danach geht’s zum Hauptaltar um (Lebensmittel-) Geschenke, bzw. rituelle Opfergaben niederzulegen.
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Hindus beim heiligen Bad
Nach einem gemütlichen Nachtessen verabschiedete sich die Bande wieder und fuhr noch am späten Abend zurück nach Kuta. Ich sollte sie nach erfolgter Rundreise wieder treffen, denn wir wollten alle gemeinsam Neujahr feiern. Also beeilte ich mich ein wenig mit meiner Reise um und durch Bali, damit ich am 31sten wieder in Kuta sein würde. Es blieben 6 Tage dafür. Da Bali ziemlich klein ist, kann man in 6 Tagen schon recht viel sehen – morgens zeitig losfahren, am Mittag in einem Guesthouse einchecken und den Nachmittag mit Besichtigungen verbringen. Reicht locker, denn so viele Höhepunkte hat Bali nebst den Tempeln und Stränden nicht zu bieten, wenn sie auch beeindruckend und schön sind.
Da wäre zum Beispiel der Tempel Pura Ulun Danu Bratan, der auf der 50‘000 Rupiah Note abgebildet ist
Er ist ein bedeutender Wassertempel und steht im Wasser des auf 1‘200 M.ü.M. gelegenen Sees Beratan (Bratansee). Er wurde 1616 erbaut und ist Shiva, Brahma und Vishnu geweiht. Damit ist er einer der bedeutendsten Tempel Balis. Natürlich ein Tourismus Magnet, aber scheinbar eher für Hindus, denn ich sah eigentlich nur wenige Westler. Das hat allerdings damit zu tun, dass ich in der „low season“, weil Regenzeit, unterwegs war. Jedoch sagte man mir, dass Weihnachten/Neujahr als eine „Zwischenhochsaison“ angesehen wird. In Kuta und Ubud, jedenfalls, hat es nur so gewimmelt von Touris. Offenbar waren die aber so faul oder verkatert, dass sie eher im Hotel oder am Strand liegen blieben. Mir sollte es natürlich recht sein…
Pura Ulun Danu Bratan – Wassertempel
Ein weiterer Tempel, der es verdient besichtigt zu werden, steht in Batur. Der Tempel heisst ganz ähnlich, wie der Wassertempel, nämlich Pura Ulun Danu Batur und ist Dewi Danu gewidmet, der Göttin der Seen und Flüsse. Ulun Danu heisst wörtlich übersetzt Kopf (oder Chef) der Seen. Ursprünglich stand der Tempel (sowie das Dorf Batur) am Fusse des Vulkans Gunung Batur (Berg Batur), doch 1926 wurden Dorf und Tempel durch eine massive Explosions des Vulkans zerstört. Einzig das Allerheiligste – ein 11 stufiger Tempelturm oder Schrein (genannt Meru) - überlebte. Die überlebenden Bewohner bauten ihr Dorf und Tempel am höchsten und ältesten Kraterrand wieder auf. Die Tempelanlage ist die zweitheiligste von Bali (nach dem Muttertempel Pura Besakih). Sie beinhaltet 9 verschiedene Tempel und 285 Schreine und Pagoden und wurde 2012 in die Liste der UNESCO Weltkulturgüter aufgenommen. Sehr, sehr schön anzuschauen – vor allem wenn kaum Touristen vor der Linse stehen. Das ist der grosse Vorteil, in der Regenzeit Indonesien zu besuchen – man hat die Sehenswürdigkeiten praktisch für sich alleine…
Eine Zeremonie in vollem Gang in der Tempelanlage Pura Ulun Danu Batur
Eigentlich wollte ich auch noch die grösste und wichtigste Tempelanlage, der sogenannte Muttertempel Pura Besakih, besichtigen. Er soll der schönste sein, oder zumindest einer der Schönsten und steht unweit von Batur. Ein Katzensprung. Aber am Tag, als ich ihn besuchen wollte, öffneten sich wieder mal die Himmelsschleusen und vermieste die Stimmung aufs gründlichste. Es wollte einfach nicht aufhören und so beschloss ich, einen Tag in meiner Unterkunft zu pausieren und es am nächsten Morgen nochmals zu versuchen. Doch auch am nächsten Tag regnete es ohne Unterlass. Ich war frustriert, packte meine sieben Sachen und fuhr runter zur Küste, in der Hoffnung, dass das Wetter dort besser sei. Und tatsächlich, kaum wieder auf Meereshöhe, besserte sich das Wetter und ich genoss die Fahrt der Nord- und Ostküste entlang. Mein neues Ziel hiess Amed, einem kleinem Dorf auf der Halbinsel im Osten der Insel. Ich hatte gehört, dass dies eine schöne Gegend mit tollen Buchten sein soll. Allerdings gehöre sie auch zu den touristisch aufstrebenden Gegenden Balis. Und so präsentierte sich dieser Küstenabschnitt auch. Viele Resorts mit Bungalows direkt am Wasser, günstigere Guesthouses etwas zurückversetzt auf der anderen Seite der Küstenstrasse, viele Tauchschulen und noch mehr Restaurants mit internationalen Menukarten zeugen von einem regen Tourismusstrom in der Hochsaison. Und wieder profitierte ich von der Low Season indem ich von einer grossen Auswahl zu niedrigen Preisen auswählen konnte. Ich zog in ein recht luxuriöses Bungalows zum halben Preis ein – und genoss es, mal ein wenig Luxus und Bequemlichkeit zu leben. Da ich von Amed aus locker in einem halben Tag zurück nach Kuta fahren konnte, beschloss ich, die verbleibenden 2 Tage/3 Nächte hier zu verbringen, da das Wetter nach wie vor sehr unstetig und regnerisch war. Also machte ich Tagestouren in die nähere Umgebung. Das Schöne an der Küste von Amed ist, dass es kein wirkliches Tourismuszentrum hat, sondern sich die Angebote über viele, viele Kilometer der Küste entlang ziehen. Allerdings nicht ununterbrochen, denn die Strasse führt immer wieder etwas ins bergige Hinterland und zurück zur nächsten Bucht. Von Dorf zu Dorf, von Bucht zu Bucht. Noch verunstalten keine Hotelkästen, McDonalds oder sonstige üble Ketten die wunderschöne Küstenlinie. Keine Ahnung wie es in der Hochsaison aussieht, da sich aber die Angebote so weit auseinanderziehen, verteilen sich die Touris über eine weite Strecke und so dürfte es auch in der Hochsaison recht angenehm sein. Schon wenige Meter hinter dem Strand beginnen die Berge. Da ich motorisiert war, konnte ich sehr schöne Tagestouren in das Hinterland, bzw. Berge machen. Eine enge, jedoch (meist) asphaltierte Strasse windet sich bis auf den höchsten Punkt hinauf und eröffnet einem einen grandiosen Ausblick auf den Küstenverlauf. Man gondelt gemütlich durch Wälder, durchquert kleine Bauerndörfer und entdeckt immer wieder kleinere Tempel im Wald oder am Dorfrand. Ausser in den Dörfern begegnete ich kaum jemanden auf der Strasse. Herrlich! Ich genoss es, ohne Gepäck und ohne festes Ziel, einfach auf den kleinen Strässchen kreuz und quer durch die Berge und der Küste entlang zu tuckern...
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Umgebung von Amed
Nach zweieinhalb gemütlichen Tagen räumte ich meinen verhältnismässig luxuriösen Bungalow und machte mich auf den Weg zurück nach Kuta um meine Bikerfreunde wieder zu treffen. Eine letzte wunderschöne Fahrt der Küste entlang brachte mich zurück auf die Hauptstrasse und in den Verkehr, der je mehr ich mich Denpasar näherte, immer mühsamere Dimensionen annahm. Denpasar gleicht einer kleineren Version von Jakarta was das Zusammenbrechen des Verkehrs betrifft. Wie mag das nur in der Hochsaison ausschauen? Ich will es gar nicht wissen, denn ich stehe mit schlechter Laune in der endlosen, zweispurigen Blechlawine und schwitze vor mich hin. Ich versuche den unzähligen Motorradfahrern zu folgen und zwänge mich am linken Fahrbahnrand (und darüber hinaus) an den Autos und Lastwagen vorbei zu zwängen. Doch da ich mit den beiden Koffern immer wieder an zu engen Stellen stecken bleibe und dadurch auch den Fluss der schlanken, kleinen Motorräder blockiere, hebt sich meine Stimmung trotz des Gewinnes einiger Meter auch nicht besonders. Ich muss ausharren. Und dann kommt der Nackenschlag, der meine Stimmung vollends in den Keller rasseln lässt: ein Plattfuss! Das hat gerade noch gefehlt! Ich fluche vor mich hin, fahre noch auf den nächstgelegenen Vorplatzes eines Geschäftes und schaue mir den Schaden an. Mein erster Plattfuss während der 3. Etappe. Erst dachte ich noch, dass ich Glück im Unglück gehabt habe, denn nur zwei Häuser weiter war eine Reifenreparaturwerkstatt, doch beschied man mir, dass lediglich Autoreifen repariert würden. Doch ein wenig Glück war mir dennoch hold, denn schräg gegenüber der Werkstatt, auf der anderen Seite der vierspurigen Strasse, stand tatsächlich eine kleine, schmutzige Hütte, deren Besitzer Reifen reparierte. Ok, ich hätte natürlich den Reifen selber reparieren können, doch wenn schon eine kleine Werkstatt in der Nähe stand, dann überlasse ich das lieber dem routinierten Reifenflicker. Zudem ist es jedesmal auch ein Erlebnis zu sehen, wie diese arbeiten und spottbillig ist es auch. Man erlaubte mir, auf dem Vorplatz der Autoreifenreparaturwerkstätte mein Hinterrad auszubauen. Nun kam der heikelste Teil der Mission, nämlich mit dem Hinterrad unter dem Arm die vier Spuren zu überqueren. Der Verkehr hält doch für einen Fussgänger nicht an, nicht in Asien. Also heisst das Herz in die Hände zu nehmen und durch die Lücken in der Verkehrslawine zu sprinten. Zum Glück hat die Strasse einen schmalen Grünstreifen in der Mitte, so dass ich dort einen Zwischenhalt machen konnte und den richtigen Moment im Fluss des Gegenverkehrs abzuwarten. Die vier, fünf Nasen, die sich bei der Hütte aufhielten, hatten ihre helle Freude daran mir zuzusehen, wie ich mir den Weg zu ihnen erkämpfe. Es war ja offensichtlich, dass ich mit meinem Rad unter dem Arm zu ihnen wollte. Mit anerkennendem Lachen empfingen sie mich und einer nahm mir sogleich das Rad ab und machte sich sofort an die Arbeit. Englisch konnten sie kaum und so lächelten wir uns erst mal einfach an. Natürlich war bald ihre Neugier stärker als die Scham, kaum Englisch zu können. Und wie alle wollten auch sie alles wissen, woher ich komme, wohin es geht, was für ein Motorrad usw. Das geht ganz einfach, auch ohne grossartige Sprachkenntnisse. Sie fragen: „Amerikan?“ Ich sage: „no, Suisse“. Sie: „oh, Suisse? Very good! Beautiful!“ Sie: „you go where?“ Ich: „Lombok, Sumbawa, Flores, Timor, Timor-Leste, Australia“. Sie: “Ahhhh, ooooh, very far!“ und lächeln beeindruckt. Und während wir versuchen small talk zu betreiben, repariert der Dritte in Windeseile meinen Plattfuss. Er zeigt mir den Grund für den Plattfuss: Eine winzig kleine Scherbe hat sich im Laufe der Zeit durch den Gummi „gefressen“ und hatte kurz vor Kuta den Innenschlauch durchgeritzt. Umgerechnet Fr. 2.00 kostete mich die Reparatur. Der Flicken hält bis heute…
Am Abend traf ich mich wieder mit den Jungs der Bikerclique. Es war ja Silvesterabend und wir wollten alle zusammen auf’s neue Jahr anstossen. Am Strand von Kuta war grosse Show angesagt mit Bands, Tanzvorführungen und natürlich Feuerwerk. Die Jungs wollten mir das unbedingt zeigen. Alles war grossartig angerichtet, als der Himmel sich immer mehr verdüsterte. Obwohl die Organisatoren eigentlich wissen mussten, dass wir uns mitten in der Regenzeit befanden, unterliessen sie es, ein Dach über der Bühne aufzubauen. So kam es, wie es kommen musste – die Show fiel buchstäblich ins Wasser. Die Band gab zwar ihr bestes und die Mädels tanzten trotzig weiter, doch der Regen wurde so heftig, dass es keinen Sinn mehr mache. Alle Zuschauer eilten davon um dem Regen im nahen Einkaufstempel zu entkommen. Die Show war vorbei, dabei war es noch nicht mal 22 Uhr. So zogen wir etwas enttäuscht ab und suchten uns ein gemütliches Restaurant, wo wir zusammen bis nach Mitternacht feierten…
Silvester bildete so etwas wie der Abschied von Bali und von den Jungs, denn 2 Tage später machte ich mich auf, um nach Lombok, der nächsten Insel, zu fahren.
Am Morgen der Abfahrt, ich packte gerade mein Motorrad, tauchten plötzlich 5 Jungs des Clubs auf und erklärten mir, dass sie mich bis zum Hafen eskortieren werden. Wow, ich war total baff, denn wir hatten nichts dergleichen ausgemacht. Zudem regnete es wieder einmal in Strömen. Immerhin hatten sie Regenjacke- und Hose. Doch an den Füssen lediglich Flip-Flops und selbstverständlich keine Handschuhe. Ich hatte echt Mitleid mit ihnen und beschwor sie deshalb, auf ihr Vorhaben zu verzichten. Ich würde ihre Absicht hoch einschätzen und dankte ihnen für ihre Freundlichkeit. Doch es half nichts, sie beharrten darauf. Und so fuhren wir die ca. zweistündige Strecke zu sechst…
Ich kam bei strömenden Regen in Bali an und bei strömenden Regen verliess ich es wieder. Einmal mehr hoffte ich auf besseres Wetter in Lombok. Doch die Insel ist zu nahe, als dass das Wetter grossartig anders wäre. So empfing mich auch Lombok mit Regen. Natürlich hatten die Jungs in Kuta ihren Freunden in Lombok mein Kommen angekündigt und entsprechend wartete bereits eine Dreier-Delegation eines Motorradclubs am Hafen auf mich. Nach der ersten und herzlichen Begrüssung bei einer Tasse Kaffee, eskortieren mich die Drei nach Mataram, der Hauptstadt von Lombok. Einer der Jungs, Eka mit Name, arbeitet in einem Lebensmittelladen. Da sein Chef ist ebenfalls begeisterter Motorradfahrer ist, hatte er sofort zugestimmt, mich bei ihm einzuquartieren. Er hat im rückwertigen Gebäude hinter dem Laden ein paar Zimmer, die er vermietet. Doch Dado, der Inhaber des Ladens, begrüsst mich äusserst herzlich und quartiert mich als sein Gast in eines der Zimmer ein. Er und ein paar seiner Freunde sind begeisterte Motocross Anhänger und besitzen deshalb seriöse Motocross-Maschinen wie Yamahas, Kawasakis und Husabergs. Von 125 bis 450 ccm war alles dabei. Er lädt mich ein, mit ihrer Gruppe kommenden Samstag eine Tour ins Grüne zu unternehmen. Sie würden mir eine Motocross-Maschine zur Verfügung stellen. Das ist natürlich der Hammer! Mal ohne schwere Maschine und ohne Gepäck im Dreck wühlen zu gehen ist natürlich traumhaft. Mit Freude nehme ich das Angebot an. Und so erlebe ich einen grandiosen Tag im Dreck, an dem ich aber gnadenlos an meine physische Grenze gehen muss. Nach ein paar Stunden, bei der meist stehend gefahren wurde, brannten mir die Beine und Arme bereits höllisch und ich musste in immer kürzeren Abständen nach Pausen verlangen. Am Nachmittag war ich völlig fertig und die nächsten Tage wurde ich von heftigem Muskelkater geplagt. Aber es war wunderbar, zur Abwechslung mal mit einer solchen Maschine ins Gelände zu gehen. Was für eine andere Welt! Es war ein Heidenspass und zum Glück ging alles gut…
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Im Nordwesten von Lombok liegen drei kleine Inseln, die Gilis genannt. Die Grösste davon, Gili Trawangan, ist als Partyinsel bekannt. Viele Backpacker suchen die Insel auf, denn es gibt auf der Insel keine Polizei und somit florieren dort Alkohol und Drogen. Party jede Nacht! Zum Glück war ich in der low season dort. Es hatte schon ziemlich viele Leute auf der Insel, aber immer noch gemütlich und weit weg von überfüllt. Aber ich konnte mir sehr gut vorstellen, was dort in der high season so abgeht. Für Partygänger super, für Leute die es gemütlicher wollen, eher ein Horror. Da bieten sich dann eher die noch kleineren Nachbarinseln Gili Meno und Gili Air an, denn die sind viel ruhiger.
Ein Freund von Eka arbeitet auf Gili Trawangan in einem Guesthouse. Ein Telefon von Eka an ihn und schon hatte ich ein günstiges Zimmer auf sicher. Da war nur noch das Problem, dass ich das Motorrad und mein Gepäck irgendwo am kleinen Hafen zurücklassen musste. Auch das Problem wurde umgehend gelöst, denn ein weiteres Mitglied des Motorradclubs hat direkt am Hafen ein kleines Büro, wo er Internetauftritte für Geschäfte entwickelt. Ein Webdesigner. Als ich am Hafen eintrudle, erwartet er mich schon und ich darf Motorrad und Gepäck in seinem Büro stehen lassen. Und so fuhr ich direkt in sein Lokal rein und parkierte neben seinem Pult. Total unkompliziert und äusserst nett von ihm. Ich blieb 4 Tage auf der Insel und genoss endlich mal Sonne und Strand, denn das Wetter hatte sich endlich gebessert. Um ehrlich zu sein, genoss ich auch die internationale Küche, die es auf Gili Trawangan gibt. Nichts gegen die indonesische Küche, die ist ja ganz lecker. Aber nach Wochen davon und das dreimal täglich, war ich doch dankbar, endlich wieder mal eine Pizza oder gute Spaghettis zu essen - eines der wenigen Vorteile eines Touristenzentrums…
Die Insel ist klein, mit dem Fahrrad fährt man in ca. 1 Std. um die ganze Insel. Hauptbeschäftigung ist das Schnorcheln, Tauchen und Segeln. Natürlich neben dem Feiern, Hangover auskurieren und Faulenzen. Max, der mir ein gutes und günstiges Zimmer besorgt hatte, kümmerte sich rührend um mich. Obwohl er in einem Resort arbeitete, hatte er immer wieder mal Zeit, um mir was zu zeigen oder einfach nur Gesellschaft zu leisten und zu quatschen. Ein ganz lieber Kerl, der Max! An einem freien Abend nahm lud er mich zu sich nach Hause ein und stellte mich seiner Frau und zwei Kinder vor. Ich lud die ganze Familie in ein Restaurant ein. Wir verbrachten einen lustigen Abend und so leistete ich wieder einmal einen winzig kleinen Beitrag zur Völker- und Religionsverständigung, was jedes Mal sehr interessant, lehrreich und unterhaltsam ist…
Nach ein paar gemütlichen Tagen auf Gili fuhr ich zurück nach Mataram und durfte wiederum bei Dago mein Basislager einrichten. Die folgenden Tage machte ich Ein- oder Zweitagesausflüge in den Norden, Osten und Süden der Insel. Lombok ist eine recht kleine Insel und relativ schnell ausgekundschaftet.
Eine Tagestour führte mich an die Südküste, wo ich mir unterwegs das Surfer Paradies Kuta anschauen wollte. Ich kann nun verstehen, warum Kuta als Geheimtipp gehandelt wird. Sehr schöne, weite Strände und hohe Wellen. Zudem noch lange nicht versaut, sprich kein McDonalds weit und breit, sondern gemütliche Holzhütten und einfache Steinhäuser im traditionellen Stil. Der Strand war fast leer, aber wie gesagt, ich war ja in der Niedrigsaison unterwegs. Die wenigen Menschen, die ich im Dorf sah, waren entweder Einheimische oder sie trugen ein Surfbrett unter dem Arm. Ein toller Ort, immer noch voll Backpacker-mässig und sehr gemütlich. Aber ich befürchte, in wenigen Jahren wird es vorbei sein mit der Gemütlichkeit und den vernünftigen Preisen. Bali ist da ein abschreckendes Beispiel dafür. Lombok ist da noch lange nicht so von westlichen Touristen überrannt, hat aber zweifellos das Potenzial dazu, eines Tages ein zweites Bali zu werden. Gili Trawangan, auf jeden Fall, ist es schon…
Ein weiterer Ort, den ich an der Südküste besuchen wollte, war die sogenannte „Pink Beach“. Es liegt ganz an der Südost-Ecke und ist zum Glück nicht sehr einfach zu erreichen. Es gibt kaum Wegweiser und so muss man sich durchfragen. Wenn man die richtige Abzweigung gefunden hat, müssen etliche Kilometer auf einer ziemlich bedenklichen unbefestigten und teilweise schlammigen Strasse fahren, um dann ganz am Ende der Strasse eine steile, etwa 200 Meter lange Rampe runter zum Strand zu fahren. Die Strasse ist unversiegelt und deshalb von Wasserfurchen durchzogen. Bergab ist‘s etwas heikel, bergauf fährt man Motocross mässig aufrecht und macht Spass. Immerhin haben die Einheimischen gemerkt, dass dieser schöne Strand touristisches Potenzial hat, denn oben an der Rampe muss ein Eintrittsgeld entrichtet werden. Der Strand selber erschien mir nicht ganz so rosa, wie er genannt wird. Allerdings bezieht sich der Effekt auf die frühen Morgen- und Abendstunden, so wird mir es versichert. Mit etwas Fantasie kann man allerdings schon einen rosa Stich ausmachen. Macht nichts, der Strand ist tatsächlich sehr schön und vor allem praktisch menschenleer. Ich zähle eine Gruppe von 5 jungen Ausländern, die den Strand ebenfalls gefunden haben, dazu ein paar wenige Einheimische. Es gibt zwei, drei windschiefe Kioske, an denen man Getränke aus der Eisbox und Snacks kaufen kann…
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Die „pink beach“ in Lombok
Nach dem Besuch des rosaroten Strandes folgte ich weiter der Küste auf kleinen Strässchen, durch idyllische Dörfer und sehr schöner, hügeliger Landschaften. Trotz einer ausgedehnten Tour durch den Süden der Insel, erreichte ich dank der kleinen Grösse der Insel mein Basislager in Mataram noch locker bevor es Dunkel wurde. Es war eine ausgesprochen schöne und interessante Tagestour. Ich kam sogar ohne Regen durch, was schon fast ein Novum war, hatte es doch bisher beinahe täglich mindestens einmal geregnet…
Nach einem weiteren Tag mit Dago und Eka in Mataram, wurde es für mich Zeit, mich wieder auf den Weg zu begeben. Ich wollte auf meinem Weg zur nächsten Insel noch den Norden und Nordosten erkunden. So fuhr ich Richtung Norden los und schon bald verliess ich die Hauptstrasse. Auf brüchigen, mit Schlaglöchern übersäten Nebenstrassen fuhr ich durch wunderschöne und dicht bewachsene Landschaften hoch zum Vulkan „Gunung Rinjani“, dem höchsten und alles dominierenden Vulkan der Insel. Leider konnte ich nicht ganz hochfahren, da das Gebiet um den Vulkan zum Nationalpark deklariert wurde und Wanderer und Kletterer vorbehalten ist. Ist auch gut so, nur bin ich zu faul um zu wandern und wenn ich nicht mit dem Motorrad hochfahren kann, dann lasse ich es eben sein. Da gibt’s selbstverständlich Ausnahmen, aber das Wetter war wieder mal regnerisch und löste deswegen keinerlei Verlangen zum Wandern in mir aus… Stattdessen besuchte ich ein traditionelles Dorf, dessen Einwohner noch immer so hausen, wie ihre Vorfahren es schon seit Jahrhunderten taten. Ich kam mir vor wie in einem Freilichtmuseum, was es eigentlich auch ist. Denn die Touranbieter und vermutlich auch Lonely Planet preisen es an. Da die Strasse bei diesem Dorf mehr oder weniger endet, kann man es gar nicht verpassen. Ich bemerkte, dass die ganze Gegend rund um den Vulkan sehr beworben wird und Gästehäuser plötzlich in grosser Zahl vorhanden waren. Alle warben sie für Trekkingtouren zum Vulkan hoch. Und natürlich auch mit dem traditionellen Dorf. Das fand ich allerdings erst später raus denn ich fuhr einfach der Strasse nach und landete bei dem Dorf. Wie gesagt, es war Niedrigsaison und ich war schon fast die einzige Langnase in der Gegend. Im Dorf selber habe ich keinen einzigen anderen Weissen gesehen. In der Hochsaison muss es vermutlich recht hoch zu und her gehen. Aber auch so kam ich mich in dem Dorf eher komisch vor. Ein doofer Tourist, obwohl ich in meinen Motorradklamotten und dem vollbepackten Motorrad nicht unbedingt wie der typische Tourist daherkomme. In meinem Fall hatten auch die paar Einwohner, die ich traf, ein gewisses Interesse. Das ist es wieder: Das Motorrad als Türöffner! Es kommt mir immer wieder zu Gute. Und so wurde ich zu ein paar Männer eingeladen um irgendeinen selbstgebrannten Schnaps zu trinken. Das waren wohl keine Moslems… Einer der Männer war ein Tourguide und konnte deshalb etwas Englisch. So konnten wir ein vernünftiges Gespräch führen und unsere gegenseitigen Fragen verständlich beantworten. Es wurde ein lustiger Nachmittag…
Das traditionelle Dorf Seranu (mit moderner Satellitenschüssel)
Ich musste mich vehement dagegen wehren, weitere Gläser ihres Gebräus zu trinken, musste ich mich doch wieder auf mein Motorrad schwingen und noch eine Übernachtungsmöglichkeit suchen…
Am nächsten Tag suchte ich mir die kleinsten Strässchen, die so nahe wie möglich am Vulkan vorbeiführen um einen möglichst schönen Blick auf den stolzen Berg zu werfen. Aber nein, das Wetter spielte mal wieder nicht mit. Die Wolken hingen tief und versperrten den Blick auf die Gipfel. Wenigstens regnete es (noch) nicht und ich konnte die Fahrt durchs Grüne und durch die Dörfer geniessen…
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Eines der wunderschönen Täler rund um den Vulkan „Gunung Rinjani“ mit pittoresken Dörfer
Als ich auf der anderen Seite der Berge wieder in die Ebene runterkam, war es nur noch einen Katzensprung bis zum Hafen, wo die Fähre zur nächsten Insel – Sumbawa – ablegt. Da die Fähren im Stundentakt ablegen, musste ich nicht lange warten, bis ich unterwegs nach Sumbawa war. Lombok hatte mir sehr gut gefallen, noch fast mehr als Bali. Der Hauptgrund ist wohl der, dass es massiv weniger Touristen gab (ausser auf Gili), viel weniger Verkehr aber dafür mehr wilde Natur. Das sollte sich noch mehr ausprägen, wie weiter ich nach Osten kam…
Auch in Sumbawa wurde ich wieder von einem Motorradclub erwartet. Einer der Mitglieder bekam über einen Freund in Lombok meine Telefonnummer und so textete er mir ständig und fragte wo ich gerade stecke. Als ich ihm schrieb, dass ich mich auf der Fähre befinde, trommelte er Mitglieder des Clubs zusammen und fuhren mir ein Stück entgegen. Die erste grosse Stadt auf Sumbawa heisst Sumbawa Besar und ist der Hauptort der Insel. Eigentlich wollte ich nach der Ankunft noch die Westküste erforschen, doch das Wetter spielte mal wieder nicht mit und vermieste mir einmal mehr die Laune. Also fuhr ich direkt in Richtung von Besar. Der Bande begegnete ich etwa 20 km vor der Stadt. Sie eskortierten mich direkt zu einem Hotel, was mir das Suchen ersparte. Leider konnten sie sehr schlecht, ja kaum English und entsprechend war die Kommunikation sehr schwer. Ich lud sie zu einer Cola ein und wir versuchten uns ein wenig zu unterhalten. Es wurde schon langsam Abend und so machten wir alle noch gegenseitig Fotos und danach verabschiedeten sie sich wieder.
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Mitglieder eines Motorradclubs aus Sumbawa Besar
Am nächsten Morgen, bei durchwachsenem Wetter, fuhr ich die 350km nach Bima, der zweitgrössten Stadt der langgezogenen Insel. Bima liegt im Osten der Insel. Zwischen Besar und Bima fährt man meistens durch von Landwirtschaft geprägte Landschaften, die von Mais und Reis dominiert wird. Ab und zu kommt man durch kleine Dörfer. Es sieht ziemlich leer aus auf Sumbawa. Die Australier hatten im Rahmen ihrer Entwicklungshilfe in Indonesien Sumbawa eine neue Strasse spendiert. Sie wurde vor 2 Jahren gebaut und ist vermutlich die beste Strasse in ganz Indonesien. So behaupten es wenigstens die Inselbewohner. Doch die Strasse ist in einwandfreiem Zustand und nach den bisherigen Erfahrungen, kann ich dieser Behauptung durchaus zustimmen. Es ist ein reines Vergnügen, endlich mal auf einer super Strasse zu gondeln und gleichzeitig auch die Landschaft zu bewundern, ohne gleich von einem bösen Schlagloch überrascht zu werden. Ich nehme mir Zeit und geniesse die wunderschöne Fahrt in vollen Zügen. Irgendwo im Nirgendwo halte ich an einer kleinen Hütte an, die Getränke verkauft. Ich will Pause machen, was trinken und Eine rauchen. Die Frau, die den Laden bedient, kann sogar ein bischen Englisch. Sie ist hocherfreut ob meinem Besuch und trommelt gleich die Familie zusammen. Ich werde in einen typischen Unterstand eingeladen, wo mir Kaffee serviert wird. Natürlich ist es eine Bauernfamilie und stolz zeigen sie mir ihr Maisfeld, das gleich hinter ihrem Haus beginnt. Es werden ein paar Maiskolben gekocht und gemeinsam verspiesen. Ich bleibe fast 2 Stunden bei ihnen sitzen und beantworte geduldig ihre Fragen. Eine sehr gemütliche, schöne und spontane Begegnung. Einmal mehr zeigt sich die ausserordentliche Gastfreundschaft einfacher Menschen…
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Pause bei einer Bauernfamilie auf dem Weg nach Bima
Natürlich hatten die Motorradkollegen aus Besar ihre Freunde in Bima benachrichtigt, dass ich auf dem Weg dorthin bin. Auch sie gaben meine Telefonnummer weiter und so wurde ich nun ständig von Bima aus kontaktiert und gefragt, wo ich mich gerade befinde. Als ich mich so langsam annäherte, fuhren auch sie mir entgegen und fingen mich etwa 30 km vor Bima ab. Ich war überwältigt, kamen doch etwa 20 Motorräder entgegen und machten einen riesigen Zirkus. Sie eskortierten mich ins Zentrum von Bima, wo wir uns aufstellten und natürlich wieder mal viele Fotos machten. Sie halfen mir ein venünftiges Hotel zu finden und Abends zeigten sie mir die wenigen Sehenswürdigkeiten von Bima, in erster Linie der Hausberg, besser der Haushügel, von dem man einerseits eine schöne Aussicht auf die Stadt hat und anderseits das Grabmal des letzten Sultans liegt. Wir verbrachten einen lustigen Abend mit Pick-Nick im Park und selbstgebranntem Schnapps und Bier. Nebenbei bemerkt, auch sie sind Moslems, nehmen es aber offensichtlich ebenfalls nicht sehr genau…
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Eine Motorrad Clique fährt mir entgegen und eskortiert mich nach Bima
Die Truppe, die mich in Bima in Empfang nahm
Die nächste Etappe führte mich ins 50 km entfernte Sape, dem östlichsten Dorf und wo der Hafen für die Fähre zur nächsten Insel, Flores, ablegt – tja, ablegen würde, wenn es das Wetter zulassen würde. Das Meer spielt verrückt in der Regenzeit und entsprechend ist der Wellengang oft zu hoch, als das Fähren ablegen könnten. Dadurch war ich dazu verdammt, mich in einem Hotel zu verkriechen und abzuwarten, bis die Wellen unter 1.50 Meter gesunken waren. So verbrachte ich die mühsamste und langweiligste Zeit in Indonesien. Sape ist sehr einfaches Dorf mit keinen Möglichkeiten zur Unterhaltung oder etwaigen Sehenswürdigkeiten, ausser einer schönen Moschee. Ich quartierte mich gleich beim Hafen in ein einfaches Hotel ein, das zum Glück WIFI hatte, wenn auch erbärmlich langsames. Es sollte 11 (elf!) Tage dauern, bis die nächste Fähre fuhr. Das war mein Zuhause für die Zeit:
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Ab und zu trafen Backpackers ein, die ebenfalls nach Flores weiter wollten. Da sie lediglich einen Rucksack dabei hatten, kehrten sie alle wieder um und nahmen ein Flugzeug oder verzichteten ganz auf Flores. Doch für mich war das natürlich nicht möglich und so musste ich ausharren. Es gab allerdings noch eine weitere Option. Fischer boten mir an, mich mit ihren Holzboten für weit überhöhte Preise rüber zu bringen. Als ich mir die Boote anschaute, war für mich klar, dass das nicht in Frage kommen konnte. Ich hätte auf einer Holzplanke auf’s Boot rüberzirkeln müssen und dann durch hohen Wellengang mindestens 8 Stunden ausharren und beten, dass wir heil ankommen würden. Nein, nein… nicht mit mir! Da bevorzugte ich das Warten…
Die ersten paar Tage war das Wetter gar nicht so schlecht und so unternahm ich eine kleine Bootstour auf die vorgelagerte Insel, wo ich mit einem jungen deutschen Backpacker schnorcheln ging und den Tag am Strand verbrachte. Am dritten Tag machte ich eine ausgedehntere Tagestour und schaute mir die Umgebung an. Aber durch die ständigen Regengüsse waren die Erdstrassen total verschlammt und gefährlich rutschig. Also beschränkte im mich auf zwei Hauptstrassen, die zwar auch böse am auseinanderfallen waren, aber doch mehr Steine als Schlamm aufwiesen und so einigermassen befahrbar waren.
Am vierten Tag sprach mich ein Typ an, der ordentlich Englisch konnte. Er sagte, dass er Siraj heisst und Englisch-Lehrer an einer Schule irgendwo im Hinterland wäre und mich gerne einladen würde, seine Schule zu besuchen. Das kam mir natürlich sehr gelegen und war willkommene Abwechslung. Wir verabredeten uns für kommenden Samstag und tatsächlich stand er morgens um acht pünktlich auf der Matte. Er hatte ein kleines Moped und ich folgte ihm ins Grüne. Nach ca. einer Stunde Fahrt auf recht abenteuerlicher Strasse kamen wir im kleinen Dorf an, wo die Schule stand. Wir wurden vom Schuldirektor, den Lehrern und einer grossen und lauten Kinderschar empfangen. Erst wurde ich ins Büro des Direktors gelotst, wo es Tee und Gebäck gab. Dann spielten wir natürlich wieder das Frage- und Antwortspiel. Siraj übersetzte fleissig hin und her. Dann kam der Rundgang durch die Klassenzimmer. In der Schule werden alle Altersklassen unterrichtet, von 7 bis 16 Jahre (schätzungsweise). In jedem Klassenzimmer gab es natürlich ein grosses Hallo. Siraj stellte mich vor und erklärte den Schülern, warum ich hier bin und was ich mache. Sie durften Fragen stellen, waren aber viel zu scheu dazu. Sie staunten einfach, einen von so weit hergereisten Westler vor sich stehen zu sehen.
Bevor wir am Morgen losgefahren waren, kauften wir in Sape noch einen Stoss Schreibhefte und Bleistifte ein, die ich nun an die Schüler als Geschenk verteilte. Die Jüngsten sangen was für mich, die Älteren sagten etwas auf (vermutlich ein Gedicht). Jedoch konnte nicht mehr an einen geordneten Schulunterricht gedacht werden - zu abgelenkt und aufgedreht waren die Kinder. So sassen die Lehrer und ich vor den Klassenzimmer, unterhielten uns und tranken Tee, während die Kinder um uns herum rannten, Spässe machten und mich ganz genau beobachteten. Um Mittag war dann die Schule aus. Als die Glocke geschlagen wurde, stoben alle in Richtung Zuhause davon. Auch ich bedankte mich für die Gastfreundschaft und verabschiedete mich vom Direktor. Siraj und ein weiterer Lehrer fuhren mit mir zurück nach Sape, wo mich Siraj zu sich nach Hause zum Mittagessen einlud, dass seine Frau bereits zubereitet hatte…
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Es sollte noch weitere 7 Tage dauern, bis ich endlich von der Insel wegkam. Es wurde langsam mühsam denn einerseits regnete es wieder jeden Tag und anderseits hatte ich mir schon alles abgefahren und angeschaut, was es in der Gegend anzuschauen gibt. Ich war dazu verdammt, im Hotelzimmer zu bleiben und mich irgendwie zu beschäftigen. Ich hatte mir für diese Etappe einen e-book reader oder „Kindle“ zugelegt und las wie verrückt. Ich lese gerne und wenn ich nicht zurückhaltend lesen muss, weil ich sonst kein Buch mehr zur Hand hätte, muss ich mich richtig losreissen. Das Buch ist ausgelesen? Kein Problem, einfach das nächste runtersaugen. Eine geniale Sache – braucht kaum Platz, ist leicht und man hat unendlich viele Bücher dabei. Ich liebe meinen Kindle… (soll keine Schleichwerbung sein, ist einfach so!)
Da es genau zwei einfache Restaurants in der Umgebung gab, traf man mich dort häufig an – nämlich drei Mal täglich. Und alle anderen Gestrandeten. Dabei lernte ich fröhliche Spanier, lustige Österreicher, unterhaltsame Holländer, natürlich Deutsche und Schweizer (die trifft man eh überall an), aber auch zwei schweigsame und einen ständig aufgedrehten Finnen. Alle reisten entweder am nächsten oder übernächsten Tag wieder ab. Nur die Finnen harrten ein wenig länger aus und so lernten wir uns etwas näher kennen. Sie wollten wie ich (und vermutlich alle anderen auch) auf Komodo Island vor Flores die Riesenwarane sehen, die Komodo dragons. Das ist einer der Highlights der Tierwelt in Indonesien und gehört schon fast zum Pflichtprogram. Doch dazu später. Natürlich waren auch sie per Rucksack unterwegs. Als sich die Hoffnung auf ein Boot zerschlagen hatte, entschieden sie ebenfalls zurück zu gehen und mit dem Flugzeug rüber zu fliegen. Zu dumm blieben sie nicht noch einen Tag länger, denn am Tag nach ihrer Abreise hiess es plötzlich, dass die Fähre ablegen würde. Hektik entstand und nun musste es schnell gehen. Die Lastwagen hatten sich weit zurückgestaut. Das Hafengelände war hoffnungslos überfüllt. Als ich gepackt hatte und mich an den Lastwagen vorbei zum Schiff vordrängelte, war es bereits voll. Ich konnte gerade noch ein kleines Eckchen ergattern. Puhhh, das war knapp! Ich erfuhr später, dass lediglich zwei Fähren rüber gelassen wurden und danach ging tagelang wieder nichts mehr…
Aber ich hatte es endlich geschafft. Nach 11 langen Tagen des Wartens war ich auf der nächsten Insel – Flores – angekommen.
Ankunft in Labuhanbajo, dem Hauptort der Insel. Das ist auch das Touristenepizentrum, den von hier aus fahren die Boote nach Komodo und Rinca, wo die Warane leben, und viele Tauchbasen bieten in Touren an. Die Ecke ist ein absolutes Tauchparadies, was auch ich noch erforschen wollte. Erst musste ich mal eine vernünftige Unterkunft finden und mich um einen 3-Tagestrip nach Komodo und Rinca kümmern. Als ich gerade aus einem Tourbüro komme, laufen mir die drei Finnen, die ich in Sape kennengelernt hatte, in die Arme. Sie trauten ihren Augen nicht, mich hier anzutreffen, da sie dachten, ich sei immer noch in Sape blockiert. Nun nervten sie sich, dass sie nicht noch einen Tag länger ausgeharrt hatten, denn so hätten sie sich die ganzen Umtriebe sowie das viel teurere Flugticket sparen können. Da sie auch die Warane sehen wollten, schlossen sie sich mich an und buchten gleich denselben Trip. Auch liessen sie sich in „meinem“ Hotel nieder, das gleich gegenüber dem Tourbüro stand. Wir verstanden und prächtig und verbrachten 10 Tage unterhaltsame Tage zusammen. Ich überzeugte die drei, einen Tauchkurs zu machen. Wie waren nicht mit der Absicht nach Labuhanbajo gekommen. Sie wollten lediglich die Warane sehen und dann wieder weiterziehen. Doch sie begannen zu realisieren, dass sie sich in einem Weltklasse-Tauchgebiet befanden und zudem die Tauchkurse in Indonesien wesentlich günstiger sind, als in Europa. Da sie schon mal mit dem Tauchgedanken geliebäugelt hatten, entschlossen sie sich, es hier durchzuziehen. Aber erst wollten wir gemeinsam die Warane anschauen gehen. Bereits am nächsten Morgen ging‘s um 6 Uhr los. In einem Klapperkahn fuhren wir ca. 3 Stunden raus auf die Insel Komodo. Unterwegs gab es Schnorchelstopps. Und die hatten es bereits in sich. Die Unterwasserwelt scheint dort noch im Grossen und Ganzen intakt zu sein. Auf jeden Fall ging unter Wasser die Post ab. Herrlich! Die geführte Tour auf Komodo sollte uns Begegnungen mit in der Wildnis lebenden Waranen bringen. Zwei Guides mit langen Stöcken, mit Astgabel am Ende, begleiteten unsere kleine Gruppe. Wir waren 6 Personen. Tatsächlich entdeckten wir in einem Waldbereich eine weibliche Echse, die am Löcher graben war. Aus sicherer Entfernung beobachteten wir das Tier. Warane werden maximal bis zu 3 Meter lang und wiegen im Höchstfall ca. 70 kg. Sie haben eine Giftdrüse in ihrem Unterkiefer, um grössere Beutetiere zu vergiften. Ein Biss reicht und das Tier stirbt ein paar Tage später. Das Aas riecht der Waran locker aus 3 km Entfernung, bei optimalen Bedingungen bis zu 11 km weit. Also anschleichen, zubeissen, warten, essen. Ganz einfach. Eigentlich gelten sie dem Menschen gegenüber als scheu, doch wenn sie sich bedroht fühlen, können sie auch in den Angriffsmodus wechseln. Natürlicher Instinkt. Deshalb die Astgabeln. Na ja, und wenn man mal ein Tier vor sich hat, dann überlegt man sich schon zweimal, ob man sie provozieren will oder lieber nicht…
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Komodowarane
Nach dem Besuch der Insel Komodo legten wir wieder ab, hielten nochmals an einer schönen Stelle um zu Schnorcheln und abends ankerten wir vor der Insel Rinca. Wir wollten früh morgens auf die Insel, weil Warane früh morgens besonders aktiv sind. Wir konnten vom Boot aus beobachten, wie am Strand zwei Warane einen Hirsch von zwei Seiten anpirschten und wir dachten schon, dass wir jetzt ein Spektakel erleben werden. Doch der Hirsch entkam. Auf Rinca bekamen wir noch einige Warane mehr zu Gesicht. Einerseits, weil sie gerne um die Angestelltenküche herumlagen und auf Abfall hofften und anderseits hatten wir auf unserer Wanderung noch etwas mehr Glück als auf Komodo. Ein paar Stunden später legten wir wieder ab, gingen zu einem weiteren schönen Schnorchelplatz und schliefen ein zweites und letztes Mal auf dem Boot. Die Rückfahrt nach Labuhanbajo war eine rauhe Angelegenheit, da das Meer trotz den vielen Inseln ziemlich aufgewühlt war. Kein Wunder, konnten keine Fähren fahren. Es war uns ziemlich mulmig auf unserem kleinen Kahn. Doch wir schafften es unversehrt zurück und waren glücklich 3 unterhaltsame und schöne Tage verbracht hatten. Wir waren ein tolle Truppe, was für den Erfolg eines 3-tägigen Ausflugs unabdingbar ist. Auch die Crew war super und kümmerte sich rührend um uns. Ich kann den Trip nur empfehlen…
Nach einem gemütlichen Tag Pause, ging es nun ans Tauchen. Ein Muss für jeden Taucher, der nach Labuhanbajo kommt. Die Finnen belegten einen Open Water Kurs. Einer der drei Finnen hatte seinen Tauchschein bereits und so buchten wir ein 3-Tages-Angebot mit jeweils 3 Tauchgängen pro Tag. Die zwei anderen mussten erst mal Theorie büffeln. Einer der Tauchspots hiess Manta-Point und da wurde einem eine 100 prozentige Garantie gegeben, dass man Manta Rays zu Gesicht bekäme. Ich hatte bisher noch nie einen Manta Ray gesehen und wollte dies nun hier unbedingt erleben. Ich wurde nicht enttäuscht! Endlich sah ich diese majestätischen Tiere mit meinen eigenen Augen. Ein Highlight meiner bisherigen Taucherkarriere. Einfach faszinierend, diese Tiere...
Leider war das Meer ja zur Zeit sehr aufgwühlt und deshalb war die Sicht nicht allzu berauschend. Auch die Meeresströmungen war massif. Bei einem der Tauchgänge wurde sämmtliche Tauchergruppen auseinander gerissen und alle in verschiedene Richtungen abgetrieben. Auch ich selber wurde von vom Riff ins offene Meer hinausgetrieben. Die Sicht war mies und schon bald war ich alleine im Trüben, ohne irgendwelche Orientierungsmöglichkeit, bzw. einem Referenzpunkt. Keine Chance um wieder zur Grupper zu stossen. Also machte ich, was man in solch einer Situation gelernt hat und wartete eine Minute ohne irgend jemanden zu sehen und ging kontrolliert und mit saftey stop an die Oberfläche. Als ich um mich herum schaute, war ich völlig alleine. Kein Boot, keine anderen Taucher. Ich war total abgetrieben und fragte mich, ob mich das Boot wohl finden würde. Ich überlegte schon, was ich als nächstes machen würde. Zum Glück war es nicht sehr weit zu einer kleinen Insel. Ich versuchte in Richtung der Insel zu schwimmen, musste aber feststellen, dass mich die Strömung von der Insel wegdrückte. Keine Chance nächer zu kommen. Da tauchte plötzlich ein Japaner nur ein paar Meter von mir entfernt auf. Ich kannte den Typen nicht, aber es beruhigte mich doch sehr, nicht mehr alleine zu sein. Nach ein paar weiteren Minuten sahen wir, wie noch mehr Taucher in einiger Distanz an die Oberfläche kamen. Alle waren total verstreut. Und immer noch kein Boot in Sicht. Die anderen Taucher waren zu weit weg, um mit ihnen zu kommunizieren oder sich zu vereinen. Ein paar hatten diese aufblasbaren, rot-weissen Positionsballone und winkten heftig mit damit. Auch mein japanischer Tauchkollege hatte einen. Wir trieben sicher eine halbe Stunde an der Oberfläche bis wir endlich am Horizont ein Boot entdeckten. Wir winkten wie verrückt und tatsächlich, das Boot kam näher. Überraus erleichtert kletterten wir ins Boot. Mit einer Tasse heissem Tee in der Hand fantasierten wir, was alles hätte passieren und wie wir uns hätten retten können. Ein sehr ungemütliches Erlebnis und eine Lektion, wie brutal und erbarmungslos das Meer sein kann. Es war eindeutig ein Fehler, bei diesen Wetter- und Strömungsverhältnissen tauchen zu gehen. Nach diesem Erlebnis wurde entschieden, dass wir zurück zum Hafen fahren würden. Auf den dritten Tauchgang verzichteten alle locker. Als wir wieder zu Hause waren, erzählten wir natürlich die Geschichte weiter und so erfuhr ich, dass ein grosser Konkurrenzkampf unter den Tauchschulen herrsche und deshalb immer wieder bei unverantwortlichen Verhältnissen rausgefahren würde. Es muss wohl erst Tote geben, bis die Vernunft wieder Einkehr hält. So sind die Menschen leider. Profit vor Vernunft…
Am nächsten Tag liess das Meer zum Glück wieder Tauchgänge zu. Wenn auch diesmal wieder unter erschwerten Bedingungen. Die Strömung war stark, die Sicht mittelprächtig, aber es ging. Prinzipiell waren es schöne Tauchgänge mit extrem viel zu sehen. Wenn nur die Sicht besser gewesen wäre. Schätzungsweise 10, vielleicht 15 Meter waren das Höchste an Gefühlen. Die Finnen, die den Open Water machten, kamen diesmal mit. Sie machten ihre Übungen an einem Strand in seichtem Wasser und absolvierten ihre ersten Tauchgänge in tieferem Wasser. Sie waren begeistert, sahen sie doch bereits bei ihren ersten Tauchgängen Haie, Mantas, Barraccuda-Schulen und, und, und… Eigentlich nicht optimal, wenn man direkt in einem super Tauchgebiet zu Tauchen lernt. Dann meint man nachher womöglich, das sei völlig normal und überall sei es so schön. Leider ist das nicht der Fall. Aber egal, sie hatten einen wunderbaren Start in ihre Taucherkarriere. Dies sollte sich leider am nächsten Tag ändern…
Am frühen Morgen des nächsten Tages trafen wir uns wieder wie gewohnt bei der Tauchschule. Das Wetter war regnerisch, es windete ziemlich fest. Für mich war rasch klar, dass es heute keine gute Idee ist, raus zu fahren. Man konnte bereits vom Hafen aus sehen, das das Meer unruhig war. Ich entschloss mich, den Tag auszulassen. Der verunglückte Tauchgang 2 Tage zuvor, war mir Warnung genug. So macht Tauchen einfach keinen Spass. Kein Licht und starke Strömung. Nö, nicht mit mir – so angefressen bin ich nun auch wieder nicht. Doch die Tauchbasis wollte unbedingt raus und die Finnen, noch ganz verklärt von ihren tollen Erlebnissen vom Vortag, gingen mit. Gegend Abend, als es bereits einzudunkeln begann, machte ich mich so langsam Sorgen, als die Finnen immer noch nicht zurück waren. Ich ging zum Tauchshop um nachzufragen. Der Deutsche, der die Schule führte, erklärte mir, dass sie einen Motorschaden erlitten hätten und ein Rettungsboot habe ausgesendet werden müssen. Ohne Motor treibe das Boot unkontrolliert auf dem Meer und wird immer weiter weg abgerieben. Es war ein Rennen mit der Zeit, denn das Boot musste noch vor dem Eindunkeln gefunden werden. Ansonsten wird es sehr schwierig, sie wieder zu finden. Dann müsste eine gross angelegte Suchaktion in die Wege geleitet werden, was zum Schluss den Ruin der Schule bedueten könnte. Der Mann war sichtlich nervös. Ich bezichtigte ihn der Unverantwortlichkeit und Profitgier. Es war ja schon am Morgen klar, dass es heute eher ungemütlich werden würde. Nun, sind wurden gottseidank rechtzeitig gefunden und trudelten 1 Stunde später ein. Es war natürlich schon Nacht geworden. Eine Tragödie konnte gerade noch abgewendet werden. Aber was mir nun die Finnen erzählten, war haarsträubend und endete nur mit viel Glück. Beim ersten Tauchgang des Tages erlebten sie zum ersten Mal eine stärkere Strömung, aber es ging alles gut. Beim zweiten Tauchgang an anderer Stelle, herrschten wiederum starke Strömungen und sie wurden weit abgetrieben. Das geht ja alles noch, aber als sie an die Oberfläche kamen, war weit und breit kein Schiff mehr zu sehen. Die drei Anfänger und ihr Tauchlehrer trieben hilflos im Meer. Sie wussten ja nicht, dass das Boot einen Motorschaden erlitten hatte und ebenfalls abgetrieben wurde. Das Boot musste erst repariert werden und wartete entsprechend auf Hilfe. Die Guppe trieb sage und schreibe fünf (!) Stunden an der Oberfläche und machten sich schon langsam Gedanken zu ihrem Ende, denn ihre Hoffnung schwand von Stunde zu Stunde. So erzählten sie es mir. Nach etwa vier Stunden tauchte endlich ein Boot am Horizont auf. Sie winkten mit ihrem rot-weissen Positionsballon und schrien sich die Lunge aus dem Leib. Doch das Boot sah sie nicht und verschwand wieder. Wie frustrierend muss das nur sein? Eine Stunde später tauchte ein weiteres Boot am Horizont auf und diesmal wurden sie entdeckt. Es war ein Boot einer anderen Schule, die vom Unglück über Funk erfahren hatten und auf der Suche nach ihnen war. Sie hatten riesiges Glück gehabt, denn in der Nacht wären ihre Chancen auf Null gesunken. Völlig durchweicht, total geschockt und mit übel verbranntem Kopf trafen sie am Abend in Labuhanbajo ein. Was anfänglich so gut begonnen hatte, endete beinahe in einer Katastrophe. Nur mit viel Glück überlebten sie. Und klar war, dass die Freude am Tauchen nach diesem Erlebnis weg war. Sie beendeten den Kurs nicht mehr, sondern reisten nach 2 Erholungstagen wieder ab. Nur allzu verständlich…
Auch für mich wurde es Zeit nach 10 Tagen Labuhanbajo zu verlassen und weiter zu ziehen. Allerdings fuhren die Fähren immer noch nicht oder nur sporadisch und ohne Ankündigung. Wer am Hafen anwesend ist hat Glück, die anderen halt eben Pech. Einen verlässlichen Fahrplan gibt es in dieser Jahreszeit nicht. Die Überfahrt von Flores nach Timor ist noch viel unsicherer, weil die Distanz zwischen den Inseln noch viel weiter ist. Dauert die Überfahrt von Sumbawa nach Flores etwa 6-8 Stunden, so sind es von Flores nach Timor 16 bis 18 Stunden über offenes Meer. Ich informierte mich natürlich täglich über mögliche Abfahrten und wusste, dass im Moment gar nichts ging. Deshalb blieb ich auch so lange in Labuhanbajo. Hier gab es immerhin Beschäftigungsmöglichkeiten und gute Restaurants mit internationaler Küche (unter anderem die besten Pizze ganz Indonesiens!). Durch meine Motorrad-Kumpels hatte ich eine Tel-Nr. eines ihrer Freunde, der in Ende wohnt. Und Ende ist eine der drei Hafenstädte auf Flores, an denen die Fähren nach Timor ablegen. So hatte ich meinen Mann vor Ort und er konnte mich auf dem Laufenden halten. Sehr praktisch. Die Fahrt nach Ende dauert 2 Tage und so hielt ich mich bereit, jederzeit sofort abreisen zu können. Doch die Nachrichten waren nicht gut. Immer noch gingen keine Schiffe. Doch am zehnten Tag meinte er, dass die Tendenz jetzt besser aussähe und die Wellen an Höhe abnahmen. Ich sollte mich auf den Weg machen, denn er habe gehört, dass sich in der Nacht eine Fähre von Kupang, der Hafenstadt in Timor, auf den Weg nach Ende mache. Sie würde nur kurz in Ende bleiben und sofort wieder zurücksegeln. So machte ich mich am nächsten Morgen auf den Weg. Die Finnen waren bereits am Vortag abgereist. Wir wollten uns nochmals in Moni treffen, sofern keine Fähre ging. Moni ist die Ortschaft unterhalb des Vulkans Kelimutu, der wegen seiner drei verschieden farbigen Kraterseen ein beliebtes touristisches Ziel ist. Ende liegt etwa in der mItte von Flores. Die zweitägige Fahrt dorthin entpuppte sich als die schönste Strecke, die ich bisher in ganz Indonesien bewältigt hatte. Eine fast neue Strasse, ebenfalls von den Australiern gebaut, war in ausgezeichnetem Zustand. Sie führte über diverse Berge und durch von Reisfeldern und –terrassen dominierten Täler, durch kleine Bauerndörfer und dichten Wälder. Über die verschiedenen Bergketten reihte sich praktisch durchgehend Kurve an Kurve. Mit anderen Worten, ein Kurvenparadies! Dank des guten Belages ein warer Leckerbissen für Motorradfahrer. Ich musste mich zusammenreisen um nicht übermütig zu werden. Ich übernachtete auf halbem Weg in Bajawa bei einem freundlichen niederländischen Paar, das ein schickes Guesthouse aufgebaut hat. Etwas teuerer zwar, aber europäischer Standard und funktionierendes WIFI. Grund genug, dort abzusteigen. Auch der zweite Tag der Fahrt nach Ende war wiederum fantastisch. Was für eine herrliche Landschaft hier! Schon jetzt war für mich klar, das Flores die schönste aller Inseln ist, die ich bis jetzt besucht hatte. Und wie schon in Sumbawa zuvor, war auch hier kaum Verkehr vorhanden. Super angenehm! Flores ist viel bergiger als die Inseln zuvor und das macht sie, zumindest für mich, noch attraktiver. Flores ist christlich dominiert und so sieht man hier viel mehr Kirchen als sonstwo in Indonesien…
Reisfelder in einem weiten Tal auf dem Weg nach Bajawa
Pittoreske Fahrt durch die Berge von Flores
geniale kurvenreiche Fahrt durch Bergdörfer und dichter Natur auf tadellosem Belag
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Viele Kirchen auf Flores
In Ende traf ich meinen „Informanten“ Putu. Er erwartete mich mit schlechten Nachrichten. Die Fähre, die Kupang (Timor) in der Nacht zuvor verliess, musste wieder umkehren. Die Wellen waren auf offener See immer noch zu hoch. Und wieder ging nichts mehr. Niemand konnte mir sagen, wann die nächste Fähre kommen würde. Das war sehr enttäuschend. Langsam aber sicher schlich sich deshalb ein weiteres Problem auf mich zu. Die Zeit wurde langsam knapp für mich, denn ich musste das Containerschiff in Dili (Ost-Timor) rechtzeitig erreichen, um mein Motorrad nach Australien zu verschiffen. Dieses Containerschiff würde von Dili direkt nach Darwin segeln. Wenn ich es aber verpassen würde, würde ich mindestens einen Monat verlieren, denn das nächste Schiff würde frühestens 10 Tage später ablegen und von Dili zuerst nach Singapur, zurück nach Dili und erst dann nach Darwin segeln. Ich konnte nur hoffen, dass sich die Wettergötter beruhigten…
Da sich in den nächsten Tagen nichts zu würde, hatte ich nun Zeit die drei Kraterseen auf Kelimutu zu besichtigen. Ich wusste wo die die Finnen abgestiegen waren und so machte ich mich auf den Weg zum Dorf Moni. Und wieder fuhr ich ein wunderschönes Tal hinauf in die Berge. Die Strasse folgt einem malerischen Fluss, der an vielen Stellen von Reisterrassen flankiert wird. Die Strasse ist nach wie vor in tadellosem Zustand und so macht auch diese Fahrt riesigen Spass. Leider ist die Strecke nur kurz, denn in nur einer Stunde erreiche ich das Dorf und finde auch das entsprechende Guesthouse auf Anhieb. Die Finnen dösen gerade auf der Veranda an der für einmal zwischen den Wolken hervorlugenden Sonne. Sie waren bereits heute Morgen früh bei den Kraterseen gewesen, waren aber enttäuscht, weil Wolken einen schönen Sonnenaufgang verhinderten. Obwohl man einiges vor Sonnenaufgang aufstehen muss um rechtzeitig oben zu sein, beschlossen sie, mich am nächsten Morgen zu begleiten und hoffentlich einen besseren Sonnenaufgang zu erleben.
Wir standen um 4:30 Uhr auf und waren rechtzeitig an den Seen, bevor die Sonne aufging. Wir hatten Glück, das Wetter war schön. Trotzdem trübten ein paar Schleierwolken den perfekten Sonnenaufgang. Trotzdem hat der Besuch der Seen zu dieser frühen Tageszeit etwas Magisches. Der immer heller werdende Himmel lässt die Seen von Minute zu Minute anders aussehen. Die Farben werden immer heller und die Konturen heben sich immer deutlicher ab. Ein super Schauspiel in einer grandiosen Gegend! Drei findige fliegende Händler verkaufen Kaffee oder Tee (und natürlich die unvermeidlichen Souvenirs) und erleichtern einem dadurch die kalten Morgenstunden. Es hat etwas Meditatives und Beruhigendes, wenn man mit etwa 10 anderen Personen ruhig auf der Aussichtsplattform sitzt, einen Kaffee trinkt, eine Zigarette raucht und wortlos den langsam anbrechenden Tag beobachtet. Jeder hängt seinen Gedanken nach und geniesst das Schauspiel. Einen Sonnenaufgang in den Bergen zu erleben war für mich schon immer viel spannender als sonst irgendwo. Da Kelimutu mit den drei verschieden farbigen Seen ein jedem Reisebüro angepriesen wird, kann ich mir gut vorstellen, was in der Hochsaison hier oben wohl los ist. Da geht’s sicher zu wie auf dem Bazar. In diesem Moment bin ich sogar glücklich darüber, Indonesien in der Regenzeit zu bereisen. Das ist dann einer der wenigen Vorteile, wenn man ausserhalb der Hochsaison unterwegs ist. Man hat die Sehenswürdigkeiten und Naturschönheiten beinahe für sich alleine. Kein schlechter Ausgleich zum Regen… Ach ja, und die Seen waren natürlich faszinierend. Zwei der drei Seen liegen direkt neben einander und sind nur durch eine relativ dünne Felswand getrennt. Trotzdem haben sie total verschiedene Farben. Der Eine ist leuchtend hell Türkis, der Andere eher dunkleres Grün. Der Dritte liegt auf der gegenüberliegenden Seite des Aussichtshügels und ist dunkel blau/grün. Die drei Seen um den Vulkan wechseln aufgrund von gelösten Mineralien im Abstand von mehreren Jahren ihre Farbe von Schwarz zu Türkis, Rotbraun oder Grün. Klingt einleuchtend, ist aber trotzdem schwer zu begreifen, liegen doch die Seen alle im selben Berg und unmittelbar nebeneinander. Ein Naturphänomen. Die Einheimischen glauben, dass der Berg heilig ist und dass die Seelen der Verstorbenen, dem erreichtem Alter und dem Charakter entsprechend, in die Seen eintauchen und für immer und ewig in Kelimutu bleiben. Bevor jedoch die Seelen in einem der Seen eintauchen können, begegnen sie dem Wächter der Seen, Konde Ratu. Er nimmt die Einteilung vor. Der See im Westen heißt Tiwi Ata Mbupu (zu Deutsch: See der Alten), die beiden anderen tragen die Namen Tiwu Nua Muri Kooh Tai (Deutsch: See der Jungen und Mädchen) und Tiwu Ata Polo (Deutsch: Verzauberter See).
So sehen die Seen aus…
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Die drei Seen von Kelimutu
Hier noch ein Bild aus dem Internet, um die Lage der Seen zu verdeutlichen
Nach diesem eindrücklichen Erlebnis auf Kelimutu, verabschiedte ich mich am nächsten Morgen und fuhr zurück nach Ende, um mich über die Situation der Fähren zu erkundigen. Ich traf wieder meinen Kontaktmann Putu. Es hatte sich noch nichts getan. Keiner wusste etwas Näheres, ausser dass die Wellen immer noch zu hoch waren. Allerdings eröffnete sich eine Hoffnung. Es gab eine Passagierfähre, die von Maumere aus nach Kutang segeln würde. Maumere ist etwa 4 Std. von Ende entfernt und liegt auf der anderen Seite von Flores. Allerdings nimmt diese Fähre normalerweise keine Fahrzeuge mit. Doch ein Motorrad kann mittels Kran auf das Deck gehoben werden und es gibt Captains, die das erlauben. Die Chance war klein, aber immerhin. Im Büro der Schifffahrtslinie wurde der Captain angefunkt und angefragt. Die Antwort lautete nein. Schon wieder eine Enttäuschung. Der Angestellte der Schifffahrtsgesellschaft gab mir den Rat, weiter nach Larantuka zu fahren, einer weiteren Hafenstadt, von wo aus Fähren nach Kupang auslaufen würden. Larantuka liegt ganz am östlichsten Zipfel von Flores – eine Tagesreise entfernt. Von dort aus könne man länger entlang der Küste segeln und ist somit vor dem hohen Wellengang geschützt. Die Strecke über das offene Meer ist kürzer. Wenn also eine Chance bestehen würde, dass eine Fähre irgendwo ablegt, dann in Larantuka…
Ok, dann eben ab nach Larantuka. Ich übernachtete noch einmal in Ende und machte mich tags darauf auf den Weg. Zu meinem Genuss, setzte sich die superschöne Strecke, die ich von Labuhanbajo bis Ende fuhr, genauso fort. Somit durchquerte ich die ganze Insel von Labuhanbajo banz im Westen bis nach Larantuka ganz im Osten und sah dadurch viel von Flores. Mit diesem letzten Abschnitt bestätige sich meine Einschätzung von Tagen zuvor – Flores ist für mich die schönste aller Inseln, dich ich sehen durfte. Wieder ging es über verschiedene Bergketten, durch dazwischenliegende Täler und nach wie vor Kurve an Kurve. Und das immer noch auf einer perfekten Strasse. Die Aussies haben gute Arbeit geleistet…
In Larantuka suchte ich mir erst mal eine akzeptable Unterkunft. Es ist eine ziemlich runtergekommene Hafenstadt mit wenigen Angeboten an Unterkünften und noch weniger Sehenswürdigkeiten. Praktisch niemand sprach Englisch. Die Kommunikation entsprechend schwierig. Als ich in das Hotel meiner Wahl eincheckte, erregte ich mit dem grossen Motorrad natürlich wieder das Interesse der Menschen. Ich war gerade am abpacken meines Gepäcks, als mich ein junger Mann auf Englisch ansprach. Er sei der Sohn des Restaurant-Besitzers gleich neben dem Hotel. Ich erklärte ihm mein Problem mit den Fähren und ganz der indonesischen Gastfreundschaft entsprechend, erklärte er sich bereit, mir zu helfen. Wir fuhren zusammen zum Hafen und zum Büro der Schifffahrtsgesellschaft. Wie erwartet, wussten auch sie nichts Neues in Sachen Fähren. Das Meer sei zu rau und es sei ungewiss, wann die nächste Fähre ankommen würde. Abwarten und Tee trinken, rieten sie mir. Na toll, nun war ich gleich weit wie vorher. Nur diesmal wieder in einem Dreckskaff gestrandet. Ähnlich wie in Sape auf Sumbawa zuvor. Die Tage schlichen dahin und nichts geschah. Jeden Tag fragte mein Helfer auf dem Büro nach und immer hiess es dasselbe: keine Fähren! Mittlerweile fand ich mich damit ab, dass ich mir den Termin in Dili betreffend dem Containerschiff nach Australien abschminken konnte. Es wurde immer klarer, dass ich den Termin verpassen würde, denn ich musste ja noch eine Woche einplanen, um mein Motorrad und Ausrüstung gründlichst zu reinigen. Ich unternahm, wie in Sape, Tagestouren und schaute mir die schöne Umgebung an. Doch nach vier Tagen hatte ich alles abgeklappert. Zum Glück hatte ich meinen Kindle und so konnte ich lesen, was das Zeugs hielt. Das Internet, das im Restaurant angeboten wurde, war kaum zu gebrauchen. Viel zu langsam und absolut Nerv tötend. Also lesen, Filme auf dem Laptop schauen, schlafen, warten und hoffen…
Am sechsten Tag kam plötzlich Hektik auf. Mein Helfer kam um ca. 9 Uhr morgens angerannt und sagte, es sei eine Fähre aus Kupang angekommen. Sie würde gleich wieder zurücksegeln und ich solle sofort packen. Um 12 Uhr mittags sei das Ablegen geplant. Super! Endlich gute Nachrichten. In Windeseile hatte ich gepackt und fuhr zusammen mit ihm zur Fähre. Tatsächlich, sie lag an der Anlegestelle, welche, wegen zu wenig tiefer Fahrrinne, ein paar Kilometer von der Stadt entfernt ist. Schnell ein Ticket gekauft, vom Helfer verabschiedet und herzlich bedankt (und selbstverständlich noch was zugesteckt) und dann ab auf die Fähre. Sie ist bereits voll beladen und nur mit Mühe kann ich noch ein kleines Eckchen belegen. Unter Murren packen ältere Frauen ihre Handelsware um und machen etwas Platz für das Motorrad. Uff… gerade noch geschafft. Das wär was gewesen, wenn ich nach so langer Wartezeit die Fähre noch verpasst hätte! Weiss Gott, wann die Nächste auslaufen wird…
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Die Fähre nach von Larantuka nach Kupang
Man sieht auf diesem Bild, wie das Wetter aussieht. Es schwante mir böses. Ich fühlte mich, ehrlich gesagt, sehr mulmig. Ich las auch schon über gesunkene Fähren, weil sich die Ladung, sprich die Lastwagen im Bauch des Kahns, durch hohen Wellengang verschoben hatten. Genau solche Bilder hatte ich vor Augen. Ich bereite mich für das Schlimmste vor, indem ich alle meine Ausweise, Kreditkarten, Wasser und Keckse in einen wasserdichten Sack verstaute. Zudem nahm ich einen zweiten wasserdichten Sack in die Tasche, den ich aufblasen und mich damit über Wasser halten könnte. Zudem zog ich mich in leichte Kleider um, nicht nur um es bequemer zu haben, sondern um auch besser schwimmen zu können. Ich checkte alle möglichen Fluchtwege, je nachdem auf welche Seite sich die Fähre neigen würde. Man weiss ja nie. Zudem ist es ja hinreichend bekannt, dass in Asien die Fähren gerne überladen werden. Und das bei starkem Wellengang? Nein, nein, ich traute der Sache nicht und wollte vorbereitet sein…
Um 13 Uhr legte die Fähre tatsächlich ab. Die Fahrt sollte ca. 18 Std. dauern. Eine lange Fahrt und schwierig, die ganze Zeit wachsam zu bleiben. Ich checkte auf meinem GPS die Route und konnte somit genau beobachten, wann und wo wir den Schutz der Inseln verlassen würden. Nach etwa 4 Stunden kamen wir auf‘s offene Meer - der Unterschied war sofort zu spüren. Bedrohlich fing das Schiff an zu rollen. Mein Horrorszenario wollte einfach nicht von meinem geistigen Auge verschwinden. Es war mir alles andere als wohl. Nicht wegen Seekrankheit, da habe ich keine Probleme, aber das Knarren und Ächzen des Schiffs war kein gutes Zeichen. Und prompt. Schon bald bemerkte ich, dass der Captain einen grossen Kreis zu fahren begann. Es wurde mir klar, dass wir umkehren würden. Einerseits Scheisse, anderseits lieber Zeit verlieren, als unterzugehen. Und genau so war es. Wir drehten um und nach weiten 4 Stunden waren wir wieder an der Anlegestelle in Larantuka. Acht Stunden Fahrt und wieder zurück auf Feld 1. Allerdings bestand Hoffnung. Der Captain entschied, dass das Schiff nicht ausgeladen wird, sondern dass er es um Mitternacht nochmals versuchen wolle. Ich ging hoch zur Brücke und unterhielt mich mit dem Captain. Der konnte natürlich etwas Englisch. Muss er wohl können, als Captain einer grossen Fähre. Er erklärte mir, dass die Wellen in der Nacht normalerweise weniger hoch seien. Es habe nicht viel gefehlt, heute Nachmittag. Etwa einen halben Meter. Es bestehe deshalb eine gute Chance, dass die Wellen in der Nacht um diesen halben Meter weniger hoch seien und er es deshalb nochmals versuchen wolle. Es war jetzt ungefähr 21 Uhr. Ok, gut. Nur 3 Stunden warten. Es wurden 4 Std. daraus, aber immerhin legte das Schiff um 1 Uhr Nachts wieder ab. Als wir auf’s offene Meer raus kamen, rollte das Schiff natürlich immer noch, doch es war doch spürbar besser. Nicht gemütlich, aber immerhin. Ich beruhigte mich und sagte mir, dass der Captain einen vernünftigen Eindruck gemacht hatte und er schon wisse, was er tue. So schlief ich irgendwann eben doch einmal ein. Nun, da ich diese Zeilen schreiben kann, zeigt, dass wir es geschafft hatten. Eine elend lange Überfahrt fand sein glückliches Ende. Endlich in Kupang auf Timor!
Ich hatte nun keine Eile mehr, denn in zwei Tagen würde das Containerschiff in Dili ablegen. Keine Chance es zu erreichen. Also erholte ich mich erst mal in Kupang bei einem Deutschen, der ein superschönes und neues Hotel gebaut hatte. Er hat sich einen Traum erfüllt und sich ein Hotel im mexikanischen Stil gebaut. Es heisst „La Hazienda“ und ist definitiv DIE Adresse in Kupang. Ich blieb ein paar Tage, denn ich musste noch den Antrag für ein Visum bei der Botschaft von Ost-Timor stellen und die Verarbeitung dauert in der Regel 3 Tage. Warum weiss niemand, denn es handelt sich lediglich um einen Fackel, den man in 5 Minuten ausgefüllt hat. Ich habe das noch bei keinem anderen Grenzübergang erlebt, dass man erst auf die Botschaft muss, um sich eine Bewilligung (nicht das Visum!) abzuholen, die dem Zöllner an der eigentlichen Grenze erlaubt, mir einen Stempel in den Pass zu drücken. Reine Geldmacherei! Ost-Timor ist ein sehr junges Land (seit 2002 von Indonesien unabhängig) und muss eben Devisen beschaffen. Das muss man eben akzepieren…
Und nun ging es an die zwei letzten Tagesetappen. Erst bis nach Atambua, welches die letzte Stadt vor der Landesgrenze ist, und am zweiten Tag von der Grenze bis in die Hauptstadt Dili. Die Strasse auf der indonesischen Seite war in ganz gutem Zustand, aber sobald man die Grenze überquert hat gleicht die Strasse einer Trümmerpiste. Man sieht sofort, dass dies ein bitter armes Land ist und erst am Anfang des Aufbaus steht. Lange herrschte Krieg und man hatte kein Geld für Infrastruktur. Nun ist Frieden eingekehrt, die UNO ist so gut wie abgezogen. Also gute Voraussetzungen, um das Land jetzt voran zu bringen. Man sieht die Zeichen des Aufbruchs am Strassenbau, der auf der Hauptstrasse im Gange ist. Eine äusserst attraktive und pittoreske Strasse führt kurvenreich von der Grenze über diverse Hügel und der Küste entlang nach Dili. Die Strasse ist in einem jämmerlichen Zustand. Durch Hangrutsche, Erdbeben, Erosion und mangelnder Unterhalt, hat die alte Strasse schwer gelitten und ziemlich abenteuerlich zu befahren. Vor allem in der Regenzeit! Ich hatte unschöne Berichte gelesen von anderen Motorradreisenden, die vor mir hier durch gekommen waren und war auf eine schlimme Schlamm-Rutsch-Umfall-Partie eingestellt. Wie erwähnt, wird die Strasse im Moment saniert. Über viele Kilometer wurde die Strasse aufgerissen und man fährt lange auf Erde, die sich bei Regen natürlich in Schlamm verwandelt. Zudem führt die kurvenreiche Strasse immer wieder steil hoch und wieder runter. Man stelle sich eine verschlammte Strasse vor, die ziemlich steil bergab in eine Kurve führt. Ein Horror für einen Motorradfahrer! Zumindest für mich, ich gebe es ja gerne zu. So hatte ich meine wildesten Visionen von dieser Strasse und betete für trockenes Wetter. Und ich wurde erhört! Am Morgen war der Himmel aufgerissen und die Sonne schien immer wieder durch die Wolken. „Trockne, Schlamm, trockne!“ sagte ich immer wieder zu mir. Der Grenzübergang war problemlos. Alle freundlich und mehr an meinem Motorrad interessiert als an mir. Ich trank und rauchte noch eine Runde mit den ost-timorischen (oder wie man grammatikalisch richtig sagen soll?) Grenzwächtern und plauderte über meine Reise. Nachdem ich die Abfahrt nicht mehr weiter hinauszögern konnte, mache ich mich auf, die schwierige Strasse in Augenschein zu nehmen. Es war noch immer trocken und zumindest teilweise sonnig. Der erste Eindruck waren heruntergekommene Massivbauhäuser und viele Hütten in Holz. Auch lag viel Dreck herum, aber das kannte ich ja schon von Indonesien. Landschaftlich sah es natürlich gleich aus wie zuvor: dichtes Grün, sehr hügelig, kleine Dörfer, Gemüse und Reisfelder wo immer es geht und das zerbröckelnde Teerband dazwischen. Was mir auffiel ist, dass nebst den Wellblechdächern noch viel mehr Hütten mit Stroh-oder Palmwedel-Dächer zu sehen waren als in Indonesien. Ein Zeichen der Armut, denke ich mir. Die Menschen die ich sehe, haben eine deutlich dunklere Hautfarbe und man sieht auffallend viele Menschen mit gekraustem Haar. Die Strasse macht anfangs einen recht guten Eindruck. Viel besser als erwartet. Erst als ich an die erwähnte Baustelle komme, wird es spektakulärer. Ich hatte Glück, denn das Wetter blieb trocken und ich kam sehr gut durch die Kilometer ohne Belag. Aber ich konnte mir bestens vorstellen, was die Reisenden vor mir erlebt haben mussten, wenn ich mir vorstellte, wie die Strasse nass aussehen würde…
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Bei Trockenheit kein Problem, bei Regen die Hölle
Aber ich kann nun sagen, nachdem ich die Strecke abgefahren bin, dass ausser den etwa 10 Kilometer der Baustelle, wo kein Belag vorhanden ist, die Strasse meistens in recht gutem Zustand ist. Und wir reden ja von einer Baustelle, also wird die Strasse in absehbarer Zeit bestens zu befahren sein. Ungefähr in der Mitte der Strecke, kommt man plötzlich auf eine nigelnagelneue Strasse. Für etwa 10, 15 Km. Einfach so. Mitten im Nirgendwo. Voll komisch warum gerade dort. Es geht nicht mal durch schwieriges Gelände. Ist nur flach. Vielleicht war das ein Pilotprojekt oder so. Keine Ahnung. Na ja, auf jeden Fall ist es eine wunderschöne Strecke, die, nachdem man die Berge hinter sich gelassen hat, der Küste nach bis nach Dili führt. Es war für mich die einzige Strasse, die ich in Ost-Timor befuhr, denn mein Ziel war Dili, wo ich mein Motorrad so rasch wie möglich der Schifffahrtsgesellschaft übergeben wollte. Das nächste Containerschiff würde in ca. 10 Tagen ablegen und ich brauchte noch 1 Woche, um alles „porentief“ zu reinigen. Es blieb also keine Zeit mehr, um Ost-Timor weiter zu erkunden. Was ich aber hörte ist, dass die Strasse von der Grenze bis nach Dili so ziemlich die beste Strasse im ganzen Land sei. So konnte ich mir schon ziemlich gut vorstellen, was für ein Abenteuer es sein würde, weiter ins Hinterland vorzustossen. Sicher reizvoll, aber ich hatte die Zeit leider nicht dafür. Ich muss auch ehrlich zugeben, dass ich auch keine Lust mehr dazu hatte. Ich war jetzt darauf eingestellt, endlich nach Australien zu kommen. Schon so lange träumte ich davon, Australien zu bereisen. Und nun war ich so nahe dran, dass ich es kaum erwarten konnte. Nach zweieinhalb Jahren Asien freute ich mich darauf, wieder mal in ein „westliches Land“ zu kommen, wo ich mich problemlos verständigen konnte, gute Infrastruktur vorhanden war und endlich, endlich wieder mal Fleisch an einem Stück gegessen wird. Ich träumte von einem riesigen T-Bone Steak mit Bratkartoffeln, denn ich hatte langsam genug von dem vielen Reis oder Nudeln, drei Mal am Tag!
Dann, endlich, erreichte ich Dili. Es sollte die (vorläufig) letzte Station in Asien sein, bevor es in Ozeanien weitergehen sollte…
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Schöne Küstenstrasse und Ankunft in Dili
Dili
Ich wusste, das Australien die härtesten und strengsten Quarantänevorschriften hat und alles, was man einführt, blitzblank sauber sein muss. Ich stürzte mich in diese äusserst unliebsame Aufgabe und reinigte das Motorrad und die gesamte Ausrüstung während einer vollen Woche auf’s Gründlichste. Und wenn ich sage gründlich, dann meine ich das genauso. Das bedeutet alles auseinander und abzuschrauben, was gerade noch als vernünftig und machbar gilt. Das bedeutet mit der Pinzette sämtliche Klettverschlüsse an Kleidung, Zelt, Schlafsack, Taschen usw. von Gras-oder sonstigen Rückständen zu befreien. Man staunt nur noch, wo Klett überall vorhanden ist! Ebenso muss der Kühler aussehen wie neu. Also weg mit all den vielen Insektenkadaver. Nach einem einwöchigen Putzmarathon hatte ich es geschafft und das Bike und die Ausrüstung schauten wieder aus wie neu. Ich überführte das Motorrad zum Hafengelände von TOLL Shipping Line, wo ich noch die letzten Formalitäten zu erledigen hatte. Das Motorrad in den Container gestellt, abgeschlossen und auf ein baldiges Wiedersehen geküsst, verliess ich das Gelände und machte mich auf, den nächsten Flug in die Philippinen zu buchen. Es würde mindestens 3 Wochen dauern, bis das Motorrad in Darwin ankommen würde und anstatt in Dili oder Darwin rumzuhängen, flog ich zu meiner Freundin und machte Pause in meinem Haus in Bohol, meinem zweiten Zuhause. Liegt ja quasi um die Ecke. Dort stand ja noch meine BMW 650 Dakar, die mich auf den ersten beiden Etappen bis auf die Philippinen gebracht hatte. So lässt sich die Zeit wunderbar überbrücken und es störte mich kein bisschen, dass es so lange dauern würde, bis ich endlich meinen Fuss auf australischen Boden setzen konnte…
Verstauen des Motorrades in den Container im "TOLL Shipping Line"-Gelände n Dili
Damit kam die Etappe durch Indonesien und Ost-Timor nach dreieinhalb Monaten zu ihrem Ende. Es war zwar sehr nass und einiges konnte ich dadurch nicht sehen oder besuchen. Auch verlor ich ziemlich viel Zeit mit dem Warten auf Fähren, doch die schönen und interessanten Begegnungen mit der Lokalbevölkerung, die grosse, von Herzen kommende Gastfreundschaft entschädigten für die unangenehmeren Seiten. In erster Linie muss ich die Motorradclubs, bzw. deren Mitglieder erwähnen, die mich begeistert in Empfang nahmen, sich rührend um mich kümmerten und mich die ganze Reise hindurch per WhatsApp, SMS oder Telefon begleiteten und sich ständig Sorgen machten, ob es mir gut geht und alles in Ordnung ist. Hätte ich irgendein Problem gehabt, es wäre sofort Hilfe organisiert worden! Sehr beruhigend. Dazu kam die unglaubliche Schönheit der Natur – zu Land wie unter Wasser – die die Reise durch Indonesien zu einem unvergesslichen Erlebnis machten…
Nun gibt es eine kleine Pause, bis es in Australien weiter geht. Es wird eine fast einjährige Reise durch das riesige Land und entsprechend wird es bestimmt viel zu berichten geben. Bis dahin wünsche ich euch alles Gute und viel Glück…
Liebe Grüsse
Euer Thierry
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Indien - 3. Teil
Es hat ein Weilchen gedauert, doch nun bin ich wieder da und kann euch Neues und Spannendes berichten. Leider hatte ich das pakistanische Visum in Manila nicht erhalten (nur im Heimatland!) und so konnte ich bedauerlicherweise den Karakorum Highway nicht befahren. Das hatte mich sehr geärgert, denn ich hatte mich sehr darauf gefreut. Dafür klappte es mit dem Indien-Visum problemlos und ich vertröstete mich mit mehr Zeit für Kashmir. Es sollte eine beeindruckende und spektakuläre Etappe werden. Doch dazu später mehr...
Die Geschichte der Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung für mein Motorrad
Anfang Juni, 6 Monate und ein paar Tage nachdem ich in Indien eingereist war, erhielt ich vom schweizerischen TCS ein Mail, das ein weitergeleitetes Mail vom indischen TCS beinhaltete. Die Inder, so chaotisch sie auch sein mögen, schrieben exakt nach 6 Monaten und verlangten einen Beweis, dass mein Motorrad wieder aus dem Land herausgeführt wurde. Denn die erlaubte Frist, in der ein ausländisches Fahrzeug in Indien sein darf, beträgt 6 Monate. Und wenn kein Beweis, also Ausreisestempel im Carnet, dann eine Zahlung von umgerechnet etwas über Fr. 8'000.-- !!! Der doppelte Wert, der im Carnet angegeben war. Nun wusste ich es also. Es sind nur 6 Monate erlaubt. Vergeblich versuchte ich das ja herauszufinden. Niemanden antwortete im Februar auf meine Mails, weder indischer TCS noch die Zollbehörde. So eine Sch.....! Nun hatte ich aber, dank des indischen Mails, eine Ansprechperson. Ich schrieb also zurück und erklärte die Situation und wie ich mich um Antworten bemüht hätte. Die Antwort kam prompt und war sehr freundlich geschrieben. Ich bekam Anlaufstellen bei der Zollbehörte mitgeteilt, verbunden mit der Bitte, mich beim Zoll zu melden und meine Geschichte zu erzählen. Ich befürchtete das Schlimmste, denn zu oft hatte ich gelesen, dass in der indischen Bürokratie verstrickt zu sein, etwas äusserst Mühsames sein soll. Nun, ich erklärte denen, dass ich erst anfangs Juli nach Indien zurückkehren würde, da ich ein neues Visum gebraucht hätte. Und dass ich nicht gewusst hätte, dass es eine Frist von 6 Monaten gäbe, aber auch, dass ich mich vergeblich um Antworten bemüht hätte. Ich bekam tatsächlich Antwort. Ich wurde aufgefordert, sofort nach meiner Rückkehr nach Indien, unverzüglich an den Einreisepunkt zurückzukehren und eine Verlängerung zu beantragen. Ok, immerhin bekommt man eine Verlängerung. Das tönte schon mal positiv. Nun hoffte ich, dass mir die Zollgebühren erlassen würden, denn das Motorrad ist ja immer noch in meinem Besitz und ich würde ja das Land ja in weiteren 2 Monaten verlassen. Ich musste also zurück nach Amritsar fahren, wo ich, von Pakistan herkommend, eingereist war. Das war weiter nicht so tragisch, denn ich wollte ja sowieso gen Norden fahren und der Umweg war nicht gross, mehr oder weniger auf Weg...
Als ich anfangs Juli zurück in Delhi war, wollte ich so rasch als möglich aufbrechen, auch um der grossen Hitze in dieser Jahreszeit zu entkommen. Ausserdem hatte ich Delhi ja schon besichtigt. Es hielt mich also nichts in Delhi. Doch nun kam ein unterwartetes Problem auf mich zu: Das Motorrad wollte einfach nicht anspringen. Nach 3 Monaten Stillstand, gab es keinen Mucks mehr von sich. Ich kontrollierte den Zündfunken, wechselte die Kerzen. Nichts! Also telefonierte ich mit meinem Vertrauensmechaniker in Basel und beriet mich mit ihm. Er gab mir genaue Anleitungen, wie ich die Einspritzdüse ausbauen soll und den Benzinfluss kontrollieren kann. Es schien alles zu funktionieren: Benzinpumpe, Benzinfilter, Einspritzdüse, Leerlaufregler, Kerzen, Funken. Ich, bzw. wir, waren am Ende unseres Lateins. Blieb nur noch eine Option: Das Benzin. Vielleicht war das Benzin in der Zwischenzeit schlecht geworden. Die indische Qualität ist ja nicht über alle Zweifel erhaben. Also Tank absaugen, Benzinfilter vom Restbenzin leeren und neues Benzin reinschütten. Und siehe da: 3 mal „örgeln“ und da erwachte mein Baby zu neuem Leben! Das hätte ich auch einfacher haben können! Ich machte noch einen Ölwechsel und endlich konnte es, fast eine Woche später, endlich losgehen...
Ich legte die Strecke Delhi – Amritsar (480 km) in einem Tag zurück! Es gibt eine vierspurige „Autobahn“ mit getrennten Fahrtrichtungen, was eine schnellere Fahrt möglich machte. Auch ist der Belag meistens ganz ok. Abends war ich nudelfertig. Ich ging ins gleiche Hotel, das ich bereits beim ersten Mal wählte. Da wusste ich, was mich erwartete und ich musste nicht lange suchen. Am nächsten Tag stand der Gang zur Zollbehörde an. Mir war mulmig zu Mute. Was würde mich erwarten. Musste ich die Zollgebühren bezahlen oder nicht? Musste ich schmieren? Bekam ich eine Busse? Oder verlangten sie einfach eine unverschämt hohe Gebühr für die Verlängerung? Nun, ich wurde bereits erwartet, da ich mich regelmässig über Email meldete und ihnen meine Startprobleme mitteilte. Das war offenbar taktisch klug gewesen, denn ich wurde sehr freundlich empfangen. Ich wurde sogleich zum einem höheren Beamten geführt, der mir erst mal Tee und Kekse bringen lies. Dann plauderten wir etwas über meine Reise bis er dann einen weiteren Ranghohen Beamten riefen liess, der mich in sein Büro mitnahm. Er hatte bereits ein Dossier mit den Ausdrucken meiner Emails und meine Zollpapieren der Einreise auf dem Tisch liegen. Sein Büro sah aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen! Wie gesagt, er war etwas Höheres, denn er hatte sein eigenes Büro und eine wichtig ausschauende Uniform an. Auf dem Weg zu seinem Büro, kamen wir durch Gänge, in denen sichDokumente meterhoch stapelten! Ich übertreibe nicht, fast bis zur Decke reichten all die Papiere. Alles unsortiert und unbeschriftet. Ich frage mich, wie man da noch was finden kann! Es sah aus, wie in einem Keller, das als Archiv gebraucht wird. Alles sehr unordentlich und schmutzig. Für unsereins einfach unvorstellbar, wie man da arbeiten kann. Zu gerne hätte ich davon ein Foto gemacht, was natürlich nicht erlaubt war. Sein Büro selbst war etwa 8 m2 gross, also winzig. Es war dunkel und schmuddelig. Kein Tageslicht. Ein uralter, kleiner Bürotisch, 2 wacklige Stühle ein mit Papieren überfülltes Metallgestell, wie man sie in Werkstätten sieht, waren das ganze Mobiliar. Es war heiss und stickig. Als Abkühlung diente ein alter Ventilator, der auf einem Stuhl auf der anderen Seite des Ganges, genau gegenüber des Büros, aufgestellt war und durch die offene Türe blies!
Auf dem Tisch stand ein Computer mit altem Röhrenbildschirm. Es fiel auf, was für Monsterbildschirme das doch waren. Er setzte mich an den Computer und hiess mich, einen Brief zu schreiben. Ich sollte nochmals erklären, warum ich das Motorrad länger als 6 Monate im Lande liess und warum ich eine Verlängerung brauche. Alles lief sehr freundlich ab. Er zeigte mir in den Zollvorschriften die Artikel, die die Dauer der Bewilligung für ausländische Fahrzeuge beschrieben und auch die genauen Gründe, die eine Verlängerung rechtfertigten. Da gibt es nur 3 Gründe: 1. Bei schwerer Krankheit oder Tod des Ausländers und 2. bei Unfällen und Pannen, die einen verlängerten Aufenthalt nötig machen sowie 3. wenn man das Fahrzeug benötigt, um Sehenswürdigkeiten im Land anzuschauen! Das ist ein besonders lustiger Artikel, denn das bedeutet, dass ein Tourist mit eigenem Fahrzeug eigentlich immer eine Verlängerung bekommt.
Ich habe mir den originalen Gesetzestext geben lassen.
So steht’s exakt im Gesetz. Artikel 3 lautet:
»3. It has also been decided that the commissioner shall exercise the powers
in the following situations :
(a) Prolonged illness/ death of the tourist or close relative reJ1dering the
tourist unable to re-export the vehicle;
(b) Damage / accident to vehicle necessitating repairs; and
(c) Requirement of vehicle for visiting historical/tourist interest places »
Ok, das machte es einfach für mich, eine Verlängerung zu erhalten. Nachdem der Brief ausgedruckt war und in meinem Dossier eingefügt war, gingen wir zusammen zurück zum noch höheren Beamten, der mich dann anwies, in der Vorhalle Platz zu nehmen. Sie erwarten in der nächsten Stunde den Distriktsvorsteher höchstpersönlich und er würde sich mein Fall anschauen und dann entscheiden. Tatsächlich, 45 Min. später entstand eine Hektik und Nervosität unter den Angestellten. Dann kam eine Wagenkolonne herangebraust. Aus einer schwarzen Limousine mit Fähnchen auf den Kotflügeln, einem Staatspräsidenten gleich, stieg dann der höchste Boss aus. Ich wurde ihm kurz vorgestellt. Er schüttelte mir die Hand und verschwand flugs in seinem Büro. Alle Angestellten standen stramm. Es sah aus, wie beim Militär. Ich wartete weitere 30 Min. und der höhere Angestellte, der sich um mich kümmerte, drückte mir das Originaldossier (!) in die Hand und sagte, dass nun, nachdem der Boss sein ok gegeben hatte, das Dossier normalerweise mit der Post nach Amritsar (etwa 35 km von der Grenze entfernt) gesendet würde. Aber da ich ja mit dem Motorrad hier sei, könne ich es ja gleich selber zum Zollhauptquartier bringen. Damit würde ich einen Tag einsparen. Er erklärte mir, wo sich das Gebäude befindet und zu wem ich das Dossier bringen solle. Der würde mir dann die Bewilligung ausstellen und übergeben. Wow, der erste Teil ging eigentlich schnell und freundlich über die Bühne. Mit etwas Glück sollte ich am nächsten Tag die Bewilligung in Händen halten. Sofort brauste ich los und fand das grosse Gebäude relativ einfach, denn jeder in der Stadt kennt es, da nicht nur der Zoll darin untergebracht ist, sondern auch die Steuerbehörde. Auch fand ich die Anlaufperson schnell. Und wieder wurde ich sehr freundlich mit Tee und Keksen empfangen. Der zuständige Mann studierte kurz das Dossier und erklärte mir, dass er den Brief (also die Bewilligung) bis morgen früh geschrieben hätte. Der deputy commissionar, also der oberste Boss, den ich gerade kennengelernt hatte, werde morgen in seinem Büro erwartet und werde den Brief dann unterschreiben. Ich solle doch bitte morgen Nachmittag um 16 Uhr wieder kommen. Es war Donnerstag, morgen Freitag und ich fürchtete, dass es möglicherweise aus irgendeinem dummen Grund dem DC (deputy commissionar) nicht möglich sein werde, morgen im Büro zu sein. Dann würde ich das ganze Wochenende in Amritsar verbringen und auf Montag warten müssen. Ich betete, dass nichts dazwischen kommen möge. Es lief alles irgendwie zu geschmiert und irgendwas muss doch sicher noch dazwischenkommen. Wir sind ja schliesslich in Indien und da läuft praktisch nichts wie geplant oder erhofft.
Ich erscheine also am nächsten Tag um 16 Uhr und natürlich ist mein Ansprechpartner nicht im Büro. Ich solle warten, hiess es. Immerhin wird mir wieder einen Tee serviert. Ich denke mir, dass die bestimmt um 17 Uhr alles hinschmeissen und mein worst-case-Szenario würde Wirklichkeit werden. Wie länger ich warten musste, desto nervöser wurde ich. Endlich, kurz vor 17 Uhr erschien der Mann, die Mappe in seiner Hand. Er erklärte mir, der Brief sei noch nicht unterzeichnet, aber der DC werde noch erwartet. Er werde es ihm sofort unter die Nase halten. Also doch... er wird nicht klappen, dachte ich mir. Doch tatsächlich, ich sitze im langen Gang und nippe an meinem dritten Tee, kommt der Mann vorbei. Er erkennt mich auch sogleich und schüttelt mir die Hand. 5 Minuten später erscheint der Angestellte wieder und bittet mich in sein Büro. Stolz überreicht er mir den Brief, der die bewilligte Verlängerung bis zum Ablauf meines Carnets bestätigt. Es hat also doch noch geklappt. Eine Sache noch. Bis jetzt wurde kein Wort über Geld geredet. Da muss sicher noch was kommen, denke ich. Den grossen Hammerschlag erwartend, frage ich etwas nervös nach, was nun mit den geforderten Zollgebühren geschehe. Die sind ja in der Buchhaltung als ausstehend gebucht. Ohhh, meinte der nette Herr, ich solle mir keine Sorgen machen. Das werde nun wieder ausstorniert. Phuhhh, ich atme laut aus und bin äusserst zufrieden mit der Antwort. Ich frage nun nicht mehr weiter nach Gebühren oder so nach, sondern packe schnell meine Sachen zusammen, verabschiede mich und verschwinde ganz schnell. Auf dem Weg nach draussen, spricht mich ein älterer Herr in auffallend gutem Englisch an. Er habe mein grosses Motorrad im Hof gesehen und ganz offensichtlich muss ich der Besitzer sein. Er fragt mich ein wenig über meine Reise aus und bittet mich dann in sein Büro. Ich bin überrascht. Er hat ein sehr grosses und bequem ausgestattetes Büro. Offensichtlich ist er etwas Höheres. Nach einiger Plauderei über meine Reise, meinen Erfahrungen und Eindrücken von Indien, einem obligaten Tee und meiner Geschichte über die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung für mein Bike, erklärt er mir zu meiner grossen Überraschung, dass er der Hausjurist und somit u.a. der Verfasser des Gesetzes über die Einfuhr und Behandlung von ausländischen Fahrzeugen sei! Ich war baff! Nachdem ich mich erholt hatte, dankte ich ihm, dass er den Artikel 3, Absatz c, der die Gründe für die Verlängerung der Bewilligung umschrieb, so grosszügig ausgelegt habe. Er lachte und meinte, dass er stolz auf sein Land sei und glücklich darüber, wenn ein ausländischer Tourist mehr Zeit wünschte, um noch mehr von seinem Land anzuschauen. Ausserdem brächten die Touristen ja auch viel Geld ins Land, was auch nicht ausser Acht gelassen werden dürfe! Deshalb spräche nicht viel dagegen, Steine in den Weg zu legen. Wie schön, irgendwie romantisch, aber auch pragmatisch. Auf jeden Fall klug. Ich bat ihn noch, mir doch diesen Teil des Gesetzes per Mail zuzustellen, damit ich andere Reisende fundiert orientieren könne. Er würde das sehr gerne machen (3 Wochen später erhielt ich tatsächlich das Mail mit entsprechendem Anhang). Wir verabschiedeten uns herzlich und ich fuhr zurück zum Hotel, glücklich, morgen das nächste Indienkapitel aufschlagen zu können. Ich konnte es kaum glauben. Ich entkam der indischen Bürokratie innert 2 Tagen, bekam was ich wollte und es kostete mich keine Rupie. Es geschehen noch Wunder...!
Auf nach Kaschmir
Am nächsten Morgen machte ich mich auf den Weg. Ich entschied mich, auf meinem Weg nach Kaschmir, noch einen Abstecher nach Dharamsala zu machen. Dharamsala ist Ort, wo der Dalai Lama seinen Amtsitz hat. Interessant ist vorallem das ca. 5 km darüber gelegene McLeod Ganj. Gemäss Lonely Planet wunderschön in den Vorbergen eingebettet, ruhig und gemütlich. Viele Rucksack-Touristen gehen dort hin um abzuhängen. Das tönt voll gemütlich und spricht mich an. Ein „Goa“ in den Bergen quasi. Doch ich habe Pech. Es ist Monsunzeit und regnet in Strömen. Als ich in Amritsar losfuhr, was das Wetter noch schön gewesen, doch während der Fahrt wurde es immer dunkler und es begann fürchterlich zu regnen an. Ich musste Zuflucht suchen, denn ich konnte nichts mehr erkennen. Ein kleiner Bauernhof rettete mich. Ich stellte mich unter den Durchgang. Schon bald erschienen zwei junge Burschen in den 20igern und stellten sich als die Söhne des Bauernhofes vor. Sie wiesen mich in ein Zimmer und servierten mir Tee und Kekse. Wir unterhielten uns so gut es ging, denn ihr Englisch war dürftig. Bald kamen auch der Vater, die Mutter und eine Cousine dazu, um den Fremden zu begutachten. Nach ca. 2 Std. liess der Regen etwas nach und ich entschied mich, weiterzufahren. Unterwegs merke ich, dass meine Hupe nicht mehr funktioniert. Das ist der absolute Notfall in Indien! Das hat mir gerade noch gefehlt! Ich hoffe, dass ich sie in McLeod Ganj reparieren lassen kann. Noch vor Sonnenuntergang kam ich dann in McLeod Ganj an. Ich erkannte nicht viel vom Ort, denn es war im Nebel eingehüllt und es regnete immer noch. Ich suchte mir ein Hotel mit Parkmöglichkeit und zog mich erst mal unter eine warme Dusche zurück. Ich hoffte auf besseres Wetter am nächsten Tag. Doch es regnete immer weiter, ohne Unterlass. So ein Mist, von Aussicht keine Spur und das Wetter war so garstig, dass ich keine Lust verspürte, das Hotel zu verlassen. Trotzdem zog ich mir meine Regenklamotten an und spazierte etwas durch das Dorf. Es war richtig klein. Der Dorfkern beinhaltet nur zwei kleine Gassen mit einem kleinen Platz am Ende. Wie ein U. Entlang der zwei Gassen einige einfache Gasthäuser, ein paar Restaurants, kleine Läden und Wohnhäuser. Irgendwie süss und gemütlich, das Dörfchen. Die Hauptstrasse führt noch etwas weiter zu einem nächsten kleinen Dorf. Ein gemütlicher Spaziergang von ca. 3 km und wieder zurück. Von Aussicht immer noch nichts zu sehen. Nur Nebel und Nieselregen. Sehr garstig. Doch am nächsten Tag bessert sich das Wetter markant. Es scheint zwischendurch sogar die Sonne. Endlich hebt sich der Schleier und ich sehe runter ins Tal. Das Dorf liegt tatsächlich sehr schön im Grünen. Ich mache denselben Spaziergang nochmals und erkenne, dass das Dorf an das Ende eines Talkessels gebaut wurde. Somit sieht man von einem Hang zum Gegenüberliegenden. Und nun sieht man auch, dass vom Dorfkern ausgehend, viele vereinzelte Häuser in die steilen Hänge gebaut wurden. Ein schönes Bild. Ich möchte noch den Tempel und den Wohnsitz des Dalai Lama sehen, denn in erster Linie bin ich ja deswegen gekommen. Doch der Tempel erweist ist als enttäuschend nüchtern. Ein Betonbau ohne viel Schnörkel oder Verzierungen. Nachdem ich die Sicherheitsschleuse (wie bei einem Flughafen) passiert, meine Schuhe und sogar mein Feuerzeug abgeben hatte, gelangte ich das Hofareal des Tempels. Überall betende Menschen. Doch auch im Inneren zeigt sich ein nüchternes Bild. Alles aus gelb angestrichenem Beton. Das Schönste ist noch die Aussicht ins Tal. Das Tempelinnere ist dann, wie alle buddhistischen Tempel schön dekoriert und ein grosser Buddha thront am Ende des Raumes. Fotografieren ist im Inneren leider und wie immer nicht erlaubt. Gleich gegenüber dem Tempel steht der Amtssitz und die privaten Räume des Dalai Lama. Von schweren Eisengittern umgeben und von Sicherheitsläuten mit Maschinengewehren beschützt! Na ja, alles sehr emotionslos und nüchtern. Ich bin leise enttäuscht. Habe mir eigentlich viel mehr Prunk vorgestellt. Nun hatte ich gesehen, was ich sehen wollte und entschliesse mich, morgen weiter zu fahren. Doch vorher gilt es noch meine defekte Hupe zu reparieren! Ich finde einen Mechaniker etwas unterhalb vom Dorf, der viele Royal Enfields vor seiner Werkstatt stehen hat. Er schaut sich das kurz an und meint, das Relais, das mir als wasserdicht angepriesen wurde, sei ziemlich sicher defekt. Zum Glück hat er gerade noch ein Relais, das passt, vorrätig. Und so war es tatsächlich. Der starke Regen hatte das Relais zerstört. Nix wasserdicht! Ich war richtig froh darüber, dass die Hupe wieder funktionierte, denn noch nie fühlte ich mich ohne Hupe so unsicher und gefährdet. Nebst der Bremse das wichtigste Teil an einem Fahrzeug in Indien!
Am nächsten Morgen fragt mich der Manager meines Hotels, wie es die meisten Manager oder Hotelangestellten tun, wohin es mich als nächstes zieht. Ich erkläre ihm, dass ich nun nach Srinagar wolle. Oh, das sei ja wunderbar, denn sein Bruder führe in einem Seitental, kurz vor Srinagar, ein weiteres Hotel der Familie. Es sei ein wunderschöner Ort und ich solle doch unbedingt dahin. Er würde mich vorankündigen, damit ich ein Zimmer auf sicher habe. Er zeigt mir auf der Karte, wo sich der Ort Palagam befindet und ich entschliesse mich, dorthin zu fahren. Von dort sind es nur noch 100 km bis nach Srinagar.
Die Reise dauerte 2 Tage bis ich fast ganz hinten und oben im Tal ankommen sollte. Unterwegs erleide ich einen weiteren Plattfuss, zum ersten Mal im Vorderreifen. Plattfuss Nr. 8! Wieder habe ich Glück und bleibe kurz vor einem der zahlreichen auf Plattfüsse spezialisierten „Werkstätten“ stehen. Die Sache ist schnell behoben und ich erreiche mein Tagesziel noch rechtzeitig vor Sonnenuntergang.
Als ich in das besagte Seitental abbog, viel mir schon sehr bald auf, dass ca. alles 500 Meter zwei Soldaten in Kampfmontur und Maschinengewehren im Anschlag standen. Das zog sich bis hinauf nach Palagam. Oha, denke ich, ich bin nun bereits in Kaschmir und Pakistan ist nahe. Die sind aber richtig nervös, die Inder. Ich fragte mich, ob sich der Kaschmirkonflikt wohl wieder verschärft habe und ob es wirklich eine gute Idee war, mich in dieses sensible Gebiet vorzuwagen. Auch viel mir auf, dass das Tal immer grüner und schöner wurde. Es erinnerte mich mehr und mehr an die Schweiz. Liebliche grüne Hügel, schöne Flüsse, Föhrenwälder und eine erstaunlich gute Strasse. Es machte richtig Spass, die 60 km bis zum Dorf auf der kurzvenreichen Bergstrasse hochzuheizen (ja, heizen, denn selten konnte ich so zügig und mit so wenig Verkehr vorankommen!). Es erwartete mich ein sehr nettes Dorf, ein äusserst gemütliches Hotel aus Holz im Châlet-Stil und ein mich bereits erwartender, sehr freundlicher Gastgeber. Es war eine gute Entscheidung, erst noch nach Palagam zu fahren. Ich erhielt eine total gemütliches Schlafzimmer mit angrenzendem Aufenthaltszimmer. Wow, voll der Luxus! Und das zu einem super Vorzugspreis, da noch keine Hochsaison herrschte. Ich fühlte mich sogleich äusserst wohl und blieb in der Folge gleich 3 Tage. Die nächsten 2 Tage machte ich Tagesausflüge ans Ende des Tales und in ein Seitental, das mich noch mehr an die Schweiz erinnerte. Man hätte echt denken können, in der Schweiz zu sein. Die Lokalbewohner brüsten sich lustigerweise auch damit, dass die Gegend als die Schweiz Indiens bezeichnet werde. Man muss wissen, dass die Schweiz für die Inder so was wie das Paradies bedeutet. Zum einen wurden einige Bollywood-Filme zum Teil in der Schweiz gedreht und deshalb kennen viele Inder den Anblick unserer Berge und Blumenwiesen. Sie finden es wunderschön und träumen davon, eines Tages selbst mal in die Schweiz zu können. Das bleibt für die Meisten leider für immer ein Traum. Zum anderen haben mir einige erzählt, dass sie Bilder der Schweiz entweder im Discovery-Channel oder in Magazinen gesehen hätten. Wie auch immer, ich war erstaunt darüber, wie viele über die Schweiz Bescheid wussten und wie ausnahmslos alle von diesem Land schwärmten. Es ist kein Nachteil, wenn man aus der Schweiz kommt und Indien bereist. Viele Mienen hellten sich sogleich auf, wenn ich sagte, dass ich aus der Schweiz käme...
Blieb noch die Frage nach dem vielen Militär zu klären. Ich fragte meinen freundlichen Gastgeber und er erklärte mir, dass oben im Tal eine für Hindus heilige Höhle sei. Zurzeit sei Walfahrtszeit und viele Hindus kämen zu Höhle um zu beten. Die Regierung befürchtet Attentate durch radikale Islamisten, denn Pakistan sei ja nicht weit weg. Wenn diese Zeit vorüber sei, verschwinde das Militär auch wieder. Aha, so ist das...
Nach herrlichen 3 Tagen fuhr ich nach Srinagar. Der freundliche Hotelmanager empfahl mir einen Freund, der ein Hausboot hat. Er wolle sowieso selber nach Srinagar gehen und wollte sich mit mir treffen. Er würde mich dann auf’s richtige Boot bringen. Nun, ich machte bisher nur gute Erfahrungen mit ihm und seiner Familie, so dass ich mich darauf einliess. Nach relativ kurzer Fahrt traf ich in Srinagar ein und fand nach kurzer Fragerei den Ort des Treffpunktes. Der Highlight von Srinagar ist der grosse Dahl-See, auf dem ca. 1'400 Hausboote auf Kundschaft warten. Da vor noch nicht langer Zeit der Kaschmir-Konflikt wieder mal ausgebrochen war und sogar Kämpfe im Gange waren, war das Gebiet für Touristen entweder geschlossen oder mit einem gewissen Risiko verbunden gewesen. Deshalb sind bis heute die Auswirkungen zu spüren und die Leute warten auf Touristen. Inder kommen vermehrt wieder, doch Westler sind eher rar. Nicht so schlecht, denke ich, denn so sind die Preise vernünftig und die Stadt nicht von Touristen überschwemmt. So war es auch. Ich habe einige, aber nicht viele Westler gesehen. Vorallem indische und ein paar japanische Touristen. Das Übernachten auf so einem Hausboot war eine tolle und aussergewöhnliche Erfahrung gewesen. Die Boote sind fix verankert. Eigentlich ein schwimmendes Haus. Wenn so ein Hausboot betritt, kommt man erst auf das Vordeck, wie eine Terrasse oder Gartensitzplatz. Danach betritt man den Salon, das Wohnzimmer. Man kann wirklich von Salon sprechen, denn das Zimmer ist grosszügig. Da das Boot ziemlich breit ist, schätzungsweise 5 bis 6 Meter, und vorallem lang ist, ich würde sagen ca. 25 bis 30 Meter, ergeben sich durchwegs grosszügige Räume. Dazu sind sie sehr stilvoll eingerichtet, mit schönen und dicken Teppichen, auf antik gemachten (oder sogar echt Antik?) Möbel und schweren Kronleuchter. Dies ergibt ein edles Bild und man kommt sich überhaupt nicht wie auf einem Boot vor. Ich hatte auf jeden Fall praktisch nie ein solch grosses Zimmer in den Hotels oder Guesthouses. Richtig edel, das Ganze. Zumindest auf meinem Boot, wie die anderen innen aussehen, weiss ich natürlich nicht.
Der Bootsinhaber, Abdullah mit Namen und Moslem, hat einen Ziehsohn, den er seit seinem 8. Lebensjahr unter seine Fittiche genommen hatte. Er heisst Rias und ist nun 26. Er ging nie zur Schule und alles, was er weiss, hat er von Abdullah gelernt. Er wurde auch, ganz nach islamischer Tradition von Abdullah arrangiert, verheiratet. Sie haben zwei Kinder. Rias überzeugte mich, etwas länger zu bleiben. Er wolle mir die Highlights von Srinagar zeigen und auch nahegelegene Ausflugsziele. Das sei alles kein Problem, denn ich hätte ja ein tolles Motorrad. Er war ganz scharf, darauf zu fahren. Nicht selber, aber als Sozius. Ich mag ihn und deshalb willigte ich ein. Amnächsten Tag zeigte er mir alte Mogul-Gärten, die grösste Moschee von Kaschmir und das verwinkelte Stadtzentrum. Wir assen lokale Spezialitäten. Er war total glücklich und sichtlich stolz, auf einem so grossen Motorrad mitzufahren. Entsprechend wurde er auch bestaunt, benieden und darauf angesprochen. Er platzte fast vor Stolz! Am nächsten Tag machten wir einen Ausflug in das 60 km entfernte Skigebiet (im Winter) und Wandergebiet (im Sommer). Eine sehr schöne Gegend. Der Aufstieg der Strasse zum eigentlichen Ski- und Wandergebiet führt auf einer kurvenreichen und guten Strasse durch schöne Föhrenwälder. Es richt wunderbar und erneut ist man an die Schweiz erinnert. Am Ende erreicht man eine Gondelbahn, die auf 3'000 Meter ü.M. führt und entsprechend eine super Aussicht ermöglicht. Ich amüsierte mich sehr, als ich die indischen Touristen sah, die auf Restflecken von Schnee mit gemieteten Schlitten 30 Meter und mit lautem Gekreische runterrutschten! Oder wie sie kleine Schneemänner bauten. Einen Haufen grosser Kinder, die zum ersten Mal Schnee berühren und damit spielen...
Rais und ich erlebten zwei ereignisreiche Tage. Ich merkte bald, dass er es sehr genoss, dem Alltag, der vermutlich nicht allzu spannend ist, zu entfliehen und auch mal was Spezielles erlebte. Am Abend schlug er mir vor, mit ihm ein Trekking zu machen. Er wollte noch mehr Zeit mit mir verbringen, das war mir klar. Er beschrieb mir das Ziel, einen See auf 4'500 Meter, in den schönsten Farben und ich liess mich einmal mehr überzeugen. Er war hellbegeistert und machte sich sogleich an das Organisieren. Wir wollten 3 Tage marschieren. Es wollten Verpflegung, Pferde und Hilfspersonen organisiert sein...
Am nächsten Morgen ging es für mich um 10 Uhr los. Rias und Abdullah waren schon seit 6 Uhr unterwegs und kauften Lebensmittel ein und organisiertenGaskocher und- Flasche, Zelt, Decken und alles, was man so braucht. Abdullah fuhr mit seinem Auto und dem Material zum vereinbarten Treffpunkt und Rias und ich auf dem Motorrad. Ein letztes Mal konnte Rias ca. 80 km lang eine Fahrt auf einem grossen Motorrad geniessen. Wir liessen den Töff bei einer befreundeten Familie stehen, ich packte meine Campingausrüstung und was sonst noch so brauchte ein und los ging’s zum Treffpunkt. Zwei Burschen warteten bereits mit 4 (!) Pferden. Drei Packpferde und ein Reitpferd für mich. Das sollte mir später noch sehr entgegenkommen! Um ca. 14 Uhr war alles erledigt und wir zogen los – gleich steil den Berghang hoch. Da ich ein ungeübter und nicht Wanderenthusiast bin, war ich entsprechend schnell müde und ich wechselte dankbar auf’s Pferd. Das gefiel mir schon besser. Ich staunte, was die drei anderen für einen Schritt drauf hatten! Ich kam mir irgendwie doof vor, als einziger auf einem Pferd zu sitzen. So stelle ich mir in früheren Jahrzehnten oder Jahrhunderten die reichen Schnösel vor, die auf Expedition gingen. Also wanderte ich auch so oft es ging und ich Kraft dazu hatte. Bei Sonnenuntergang erreichten wir den ersten Lagerplatz. Die drei zauberten eine herzhafte und gute Malzeit hervor. Später machten wir ein Lagerfeuer und ich genoss eine klare Nacht mit einem unglaublichen Sternenhimmel. Keine einzige Lichtquelle störte den Anblick. Es war überwältigend!
Am nächsten Tag erreichten wir, nachdem wir zwei Pässe überquert hatten endlich den See. Es war zwar kein sehr schöner See, denn auf dieser Höhe wuchs nicht mehr viel als Gras und knorrige Büsche, doch die Landschaft war trotzdem faszinierend. Ein schöner Fluss ergoss sich aus dem See und wir campierten an seinem Ufer. Die Menschen, die wir unterwegs trafen, waren Schafhirten mit ihren Familien. Ein paar vereinzelte Touristen waren auch unterwegs. Am Fluss angelte ein Schafhirte, der meine Begleiter kannte, geschwinde und mit unglaublichem Geschick innert kürzester Zeit 12 Forellen. Ein herrliches Abendmahl war gesichert! Die Höhe machte mir tagsüber zu schaffen und ich konnte nur langsam wandern. Aber ich marschierte und verzichtete ganz auf das Pferd. Ich war stolz auf mich, am Abend aber nudelfertig...
Da es am dritten Tag zurück ging und bis auf die 2 Pässe meistens bergab, kamen wir schneller voran und wir schafften es die zwei vorangegangenen Tage in nur Einem zu bewältigen. Allerdings gab dies uns allen den Rest. Auch die geübten 2 Hilfskräfte meinten, es sei jetzt genug. Normalerweise würden sie diesen Treck in 4 oder sogar 5 Tagen machen. Ich war etwas verwundert, denn mir hatte Rais die Wanderung als einen 3-Tagestreck verkauft, was mir eigentlich entgegen kam. Denn ich hatte eigentlich keine Lust auf vieltägiges Wandern. Ich wollte weiter und endlich die schönen, hohen Berge von Kaschmir sehen. Ich brannte auf tolle und abenteuerliche Fahrstrecken. Zu viel hatte ich darüber gelesen und gehört. Und wie näher ich meinen Träumen und Vorstellungen kam, desto mehr zog es mich hin. Ich hatte bereits genug vom Wandern und beharrte auf die 3 Tage. Ausserdem war ich fix- und fertig. Die Knie schmerzten mich und die Muskeln brannten. Ich wollte mich nur noch durchbeissen und das Tal wieder erreichen. Bei Sonnenuntergang kamen wir endlich an. Wir übernachteten bei der befreundeten Familie, wo mein Motorrad stand. Wir bekamen ein typisches Kaschmir-Gericht mit Reis, Gemüse und Hühnerfleisch. Ich fragte mich, was anders sein soll, an diesem „speziellen“ Kaschmir-Gericht. In ganz Indien gab es ständig Reis, Gemüse und Hühnchen... Vermutlich die Gewürze, dachte ich mir. Na ja, es schmeckte gut und wir assen wie die Mähdrescher. Wir bekamen ein Zimmer zugewiesen, das mit vollständig mit dicken Teppichen ausgelegt war. Darauf schlief man, zugedeckt von zahlreichen Decken. Einfach, aber komfortabel. Ich genoss die Gastfreundschaft dieser islamischen Familie in dessen Haus. Es war ein weiteres, interessantes Erlebnis. Am nächsten Morgen, nach einem Frühstück mit Tee, Omelettes und Chapati (eines der zahlreichen verschiedenen, indischen Fladenbrote), verabschiedete ich mich und fuhr los Richtung Ladakh, für mich das Herzstück Kaschmirs. Ladakh ist ein Distrikt von Kaschmir und vorallem buddhistisch dominiert. Der Hauptort ist Leh und dies war mein Ziel...
Ladak
Die Strasse war überraschen gut. Nun relativ wenige ungeteerte Abschnitte, dafür viel Kilometer nigelnagelneue Strasse. Wow, ich fühlte mich, als würde ich auf einem Teppich fahren, nach all dem Geschüttle vorher. Doch bevor ich auf diese schönen Abschnitte kam, musste ich erst noch den ersten Fahrtag hinter mich bringen. Der erste Tag endete in Kargil. Ein tief moslemisches Städtchen. An den Häuserwänden entdeckte ich sogar Plakate von Ayatollah Khomeini, der eigentlich nichts mit Indien am Hut hat, jedoch für die Moslems ein grosser geistlicher Führer war. Morgens um 4:30 Uhr stand ich im Bett, als plötzlich der Muezzin zum Gebet rufte – der Lautsprecher der Moschee war unweit von meinem Hotelfenster platziert. Ich hatte so langsam aber sicher die Nase voll, von diesen ewig betenden Moslems. Ich dachte eigentlich, nachdem ich mit Pakistan die typischen islamischen Länder verlassen hatte, dass es in Indien etwas ruhiger würde mit diesen ewig rufenden Muezzin. Doch ich täuschte mich, denn es war erstaunlich, wie viele islamische Regionen und Städte es auch in Indien gibt. Und eben, die westliche Hälfte Kaschmirs ist islamisch. Doch nach Kargil sollte es besser werden. Denn sobald ich die Provinz Ladakh erreichen sollte, würde die Bevölkerung zur Hauptsache buddhistisch sein. Und schon bald, nachdem ich Kargil am nächsten Morgen verlassen hatte, sah ich die ersten tibetischen Gebetsfahnen im Winde wehen und die ersten grossen Gebetsmühlen am Strassenrand stehen. Und nun sah ich auch immer mehr Tibeter, die nach dem Einmarsch der Chinesen in Tibet, ein neues Zuhausein Ladakh gefunden haben. Je östlicher ich fuhr, desto spektakulärer wurde nun die Landschaft. Immer höhere Berge formierten sich vor mir und die ersten Pässe galt es zu überqueren. Doch wie gesagt, genau die Pässe erhielten einen neuen Belag und so war es eine wunderbare Fahrt. Gewundene, kurvenreiche Strasse mit top Belag – das freut das Motorradfahrer Herz! Endlich wieder mal so richtig am Gas schrauben, das war herrlich. Und auf den Pässen eröffnete sich jeweils eine grandiose Aussicht. Zwei der Pässe führten auf über 4'000 m. Ca. 120 km vor Leh, kommt man an einem wunderschönen, buddhistischen Kloster vorbei. Es heisst Lamayuru undist eines der ältesten und grössten Kloster von Ladakh. In Ladakh heissen die Kloster „Gompa“.
Ich bekam den Tipp meines Freundes René Hilbert, der vor Jahren diese Strecke gefahren war, dass man da im Gästehaus des Klosters übernachten könne. Das wollte ich mir nicht entgehen lassen. Ich hielt also beim Kloster und freundliche Mönche wiesen mir ein Zimmer zu (600 Ruppies = sFr. 10.00). Es war einfach, aber komfortabel. Das Gemeinschaftsbadezimmer war blitzsauber und das Wasser heiss. Tiptop! Im Erdgeschoss wat ein Restaurant indem sie ausgezeichnetes Essen servierten. Hier ass ich meine ersten Momos, einer tibetischen Spezialität. Das sind Teigtaschen, die mit entweder Gemüse oder mit Fleisch gefüllt werden und danach entweder im Dampf gegart oder im Öl frittiert werden. Herrlich. Ich sollte mich später in Nepal fast ausschliesslich von Momos ernähren (etwas übertrieben gesagt)! Ich begann diese Dinger zu lieben. Eine Portion umfasst 10 Stk. und ergeben hervorragende und nahrhafte Snacks...
Da es noch relativ früh am Nachmittag war, hatte ich Zeit das wirklich sehr schöne Kloster zu besichtigen. Ein sehr freundlicher Mönch führte mich herum und erklärte mir manches. Hier noch ein Bild vom Koster:
Weitergehende Informationen über dieses Kloster gibt es unter folgendem Link:
http://en.wikipedia.org/wiki/Lamayuru_Monastery
(mit Maus darüber fahren, CTRL gedrückt halten und Linksklick mit der Maus)
Am nächsten Morgen ging es weiter. Ich wusste von René, dass auf dem Weg, kurz vor Leh ein weiteres, wichtiges Kloster lag, das Kloster Alchi. Dieses Kloster ist vermutlich das älteste und war einst das bedeutendste religiöse und kulturelle Zentrum von Ladakh. Es wurde im 11. Jahrhundert gegründet und gehört heute zum UNESCO Weltkulturerbe.
Weitergehenden Info’s (auch zu weiteren Klöster, die ich ebenfalls besucht habe) unter
http://www.astrid-padberg.de/deutsch/reise/laenderinfos/ladakh/kloester.php
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Am späteren Nachmittag erreichte ich Leh. Endlich... schon so viel habe ich darüber gehört und gelesen – und war ich selbst da. Mit breitem Grinsen im Gesicht fuhr ich in die Stadt ein und wühlte mich durch den Verkehr in die Touristenzone, wo es am meisten Herbergen und Hotels gab. Es fiel mir sofort auf, dass sehr viele Gesichter tibetisch aussahen. Ich fühlte mich keineswegs in Indien zu sein. Kein Wunder wird Lakakh auch Kleintibet zu sein. Die Grenze ist übrigens auch nicht sehr weit davon entfernt. Leh ist wunderbar in der Bergwelt eingebettet, selbst auf 3'500 m gelegen. Die 3 höchsten und befahrbaren Pässe der Welt befinden sich in unmittelbarer Umgebung. Da die Grenze zu Pakistan sehr nahe ist und die Gegend deshalb als sehr sensibel gilt, muss man eine Bewilligung einholen, um an gewisse Orte zu gelangen. Da wäre zum einen das Nubra-Valley das man nach Überquerung des höchsten, befahrbarenPasses – der Kardung La - der Welt erreicht und der Pagong See, den man nach Überquerung des dritthöchsten Passes der Welt – der Chang La - erreicht. Beides Ziele, die ich unbedingt sehen wollte. Also besorgte ich mir am drauffolgenden Tag das benötigte permit. Nach Abwarten von zwei sehr regnerischen Tagen, fuhr ich am vierten Tag Richtung Nubra Valley los. Anfangs eine sehr schöne Teerstrasse, später eine immer übler werdenden Stein- und Schlamm-Piste werdend, schraubte sich die Strasse immer weiter den Berghang hinauf. Die Aussicht wurde immer spektakulärer, aber es wurde auch immer kälter. Auf dem Pass herrschten noch 7 Grad! Aber es regnete nicht, das Wetter war sogar recht sonnig. Ein herrlicher Tag und eine super Fahrt, denn ich liess fast mein ganzes Gepäck im Hotel. Ich wollte in 3 Tagen zurück sein. So machte es richtig Spass, mit dem leichten Motorrad die Strasse hochzupflügen. Gemäss Karte soll der Pass 5'606 Meter hoch sein. Mein GPS zeigte mir jedoch „nur“ 5'380 Meter an. Na ja, ist immer noch verdammt hoch. Das Atmen geht recht schwer, vorallem wenn man noch die Stufen zum buddhistischen Tempel, der auf dem Pass thront, erklimmen will. Ich schlürfe einen Tee und esse eine Fertigsuppe. Sie heisst Maggi! Ohne Witz, Maggi, unsere ureigene schweizer Fertigsuppe, ist hier der Begriff für die Fertigsuppe. Man verlangt ein Maggi und alle wissen, was gemeint ist. Lustig... Als ich fertig bin und zurück zum Motorrad schlendere, das wie immer von neugierigen Indern umzingelt ist, lerne ich Peter und Leni, ein deutsches Päärchen, kennen. Sie haben in Leh eine Royal Enfield gemietet und wollen ebenfalls das Nubra Valley erkunden. Wir beschliessen, zusammen zu fahren. Der Fahrt auf der anderen Seite hinunter ins Tal zieht sich ewig und ist wunderschön. Die Strasse ist zwar steinig und erdig, aber in recht gutem Zustand. Trotzdem muss man sehr aufpassen nicht auszurutschen, denn gesichert ist nichts. Es geht einfach den Hang runter und fertig ist. Immer wieder hat es Hangrutsche, die von Baggern weggeräumt wurden, doch in diesen Passagen ist es schlammig, da es immer wieder regnet. Da gibt es noch dieInder, die immer und überall eine Gefahr darstellen. Allerdings muss ich zugeben, dass die Meisten von den Bergen und der Strasse beeindruckt sind und für einmal langsam und vorsichtig fahren. Aber man weiss bei denen ja nie... also immer auf der Hut sein!
Unten im Tal angekommen, zweigt sich die Strasse. Das Tal ist zweigeteilt. Wir entschliessen uns, erst mal die linke Seite unter die Räder zu nehmen und nach Turtuk zu fahren. Den Touristen ist es erst seit letztem Jahr erlaubt, bis dorthin zu fahren, ist es doch lediglich 15 km von der pakistanischen Grenze entfernt. Es ist der nördlichste Punkt Indiens, der für Touristen erreichbar ist. Somit war ich am südlichsten (Kanyakumari) und am nördlichsten Punkt Indiens!
Eine wunderschöne und abwechlsungsreiche Fahrt führte uns über weitere Ebenen und dann wieder durch Schluchten. Ein wilder Fluss war unser stetiger Begleiter, denn die Naturstrasse führte meistens dem Fluss entlang. Nach ca. 80 km erreichten wir Turtuk, eine islamischen Dorf. Es ist sehr klein und hat meines Wissens nur eine einzige Herberge. Die anderen Übernachtungsmöglichkeiten sind in privaten Häusern (so genannte home stays) und zwei oder drei Plätze mit fixen Zelten. Wir übernachteten in der Herberge, die wir nur zu Fuss erreichen konnten. Die Motorräder mussten auf der Strasse belassen werden, denn das Dorf hat keine Strassen, lediglich enge Gassen. Wir wurden sehr herzlich empfangen, wie es eigentlich in islamischen Gebieten immer üblich ist. Wir mussten durch das halbe Dorf laufen und die Menschen, sogar die Frauen (!) begrüssten uns sehr freundlich und mit einem Lächeln. Das Dorf ist ja erst seit letztem Jahr für Ausländer geöffnet und somit sind die Leute noch nicht verdorben. Im Gegenteil, sie freuen sich sehr, wenn sie Besuch erhalten. Viele Touristen fahren einfach mal über den Pass und am gleichen Tag wieder zurück. Und wenn dann mal grosse Motorräder einfahren, ist das für die Männer und Kinder immer was sehr spezielles. Man bekochte uns ausgezeichnet und am nächsten Morgen führten sie uns ganz Stolz im Dorf herum. Eine kleine aber sehr schmucke Moschee ist ihr ganzer Stolz. Es wurde uns erlaubt hinein zu gehen und sogar Fotos zu schiessen. Alles wurde uns, so gut es sprachlich eben ging, erklärt. In der der Dorfschule, wo ich Kinder und Jugendliche aller Altersklassen sah, durften oder mussten wir sogar mithelfen, die Englischarbeiten der Schüler zu korrigieren! Der Unterricht fand an diesem sonnigen Tag auf dem Pausenplatz statt und als uns die Kinder sahen, sprangen sie umgehend zu uns und umringten uns mit ihren Schreibheften. Der Lehrer lachte nur und nickte uns zu, dass es in Ordnung sei. Also korrigierten wir eine Weile ihre Englischübungen. Das war echt lustig!
Doch wir mussten wieder losfahren, denn wir wollten die zweite Nacht im anderen Seitental verbringen.
Das sehr spezielle am Nubra Valley ist, dass es einen Abschnitt mit richtigen Sanddünen gibt. Und in diesen Sanddünen werden Ritte auf Kamelen angeboten! Richtige Kamele, die mit zwei Höckern. Irgendwie passt das überhaupt nicht in diese Bergwelt. Wir hielten an und machten Fotos, aber keine Ritte. Da es an diesem Tag heftig windete, kam wir sogar in einen richtigen Sandsturm – und das auf 2'500 Meter!
Von der Abzweigung am Ende des Tales, wo die beiden Täler zusammenkommen, durften wir Touristen ca. 60 km bis nach Panamik fahren, wo es Heisswasserquellen gibt. Dieser Teil des Tales war nicht mehr so spektakulär. Einerseits weil es eine Teerstrasse gibt und anderseits, weil das Tal auf dieser Seite viel breiter ist. Wir fanden ein sehr nettes und neues Guesthouse. Die Besitzer hier sind wieder Buddhisten und ebenso freundlich wie in Turtuk. Nach einem ausgezeichneten Abendmahl fielen wir bald danach todmüde ins Bett. Am nächsten Tag ging’s wieder zurück nach Leh, wiederum über den Kardong La. Zu unserem Erstaunen ist die Schneegrenze gefallen, denn die Passhöhe ist weiss gepudert. Oh je, dachte ich, nur keine Fahrt durch Schnee. Die Strasse ist jedoch schneefrei, nur links und rechts davon ist es weiss geworden. Nicht dicht, aber trotzdem, denn die Temperaturen waren noch mal ein paar Grad gefallen. Ich bin ein weiteres Mal froh, eine Griffheizung zu haben. Peter und Inge wärmen auf der Passhöhe ihre Finger an meinen Lenkerenden... In Leh stand die Quecksilbersäule dann auf immerhin 17 Grad. Es war ein wunderbarer 3-Tages-Trip und ich freute mich bereits auf die Fahrt an den Pagong-See, den ich nach einem Tag Pause in Angriff nehmen wollte...
Die Anfahrt zum See dauert den ganzen Tag. Es ist wiederum eine sensationell schöne Fahrt über den Chang La-Pass, dem mit 5'290 Meter dritthöchsten befahrbaren Pass der Welt. Die Strasse ist überraschen gut, noch besser als über den Kardong La-Pass. Auf der anderes Seite geht es wiederum durch spektakuläre Täler, entlang saftigen Wiesen, auf denen Yaks, Büffel, Ziegen und... Murmeltiere weiden.
Gegen Abend, es dunkelt bereits ein, erreiche die letzte, kleine Siedlung, die für Touristen erlaubt ist, anzufahren. Siedlung ist bereits ein grosses Wort, denn es handelt sich lediglich um ganz wenige, sehr einfache Steinhäuser und ein paar fixe Zelte, die man mieten kann. Die Grenze zu Tibet ist nur noch ca. 50 km entfernt. Man sieht die tibetischen Berge am Horizont ganz deutlich. Der See liegt auf 4'500 Meter und ist ca. 180 km lang. Davon liegt ein Drittel in Indien und zwei Drittel in Tibet. Die Landschaft sieht ziemlich karg aus, logisch, auf dieser Höhe. Es wächst praktisch nichts. Trotzdem ist die Gegend sehr schön. Majestätisch liegt der See da, umringt von Bergen. Sobald die Sonne untergegangen ist, wird es schweinekalt. Ich ziehe alles an, das ich mitgenommen habe. Ich bekomme ein Zimmerchen in einem der Steinhäuser. Sehr spartanisch. Gemeinschafts-WC mit Wasser aus einer Tonne. Die Besitzer haben gleich neben dem Häuschen, das 5 Zimmer aufweist, aus alten Armeefallschirmen ein kleines Restaurant gebastelt. Ein Zelt beherbergt die Küche, im anderen stehen ein paar Tische und Stühle. Alles sehr, sehr einfach. Aber das Essen ist einfach, aber lecker. Die Frau, die Tibeterin ist, ist sehr herzlich und lacht viel. Sie kocht mir und den anderen Touristen Reis mit Gemüse, dazu ein paar Chapatis, das indische Fladenbrot. Und selbstverständlich darf der allgegenwärtige Tee nicht fehlen.
Zu meiner grossen Überraschung, spricht mich vor dem Essen ein Paar mit „he lueg emool do, e Baaaasler“ an! Es ist ein Zürcher/Berner-Päärchen, das ebenfalls in der Nähe übernachtet und sich gerade auf einem Spaziergang zum See runter befand. Sie sahen mein Motorrad mit dem Basler Nummerschild. Der Zufall wollte es, dass er beruflich mit Motorrädern zu tun hatte und meinen Motorrad-Händler und auch zwei von meinen Freunden, die ebenfalls mit Motorrädern und –Zubehör zu tun haben, kennt. Die Welt ist wirklich ein Dorf! Wir verbringen einen lustigen Abend zusammen und tauschen Räubergeschichten aus...
Am nächsten Morgen will mein Motorrad nicht anspringen. Ich habe schon vorher gemerkt, dass für ihn die Luft über 3'500 Meter zu dünn ist. Es ist mir schon vorher passiert. Sogar in Leh, das genau auf 3'500 Meter liegt. Ohne Anschieben habe ich keine Chance, das Motorrad zum Laufen zu bekommen. Zum Glück hat es noch andere Touristen vor Ort, die mir helfen. Mit Anschieben ist es kein Problem mehr. Ohne zu Murren springt es nun an. Ich bedanke mich herzlich und los geht die schöne Fahrt zurück nach Leh. Ich habe Glück, es ist ein sonniger Tag und deshalb warm. Auf der Rückfahrt komme ich wieder am buddhistischen Kloster, dem Gompa in Tikse vorbei. Das wollte ich mir diesmal auf der Rückfahrt noch anschauen. Es ist ein weiteres sehr schönes und beeindruckendes Kloster. Hier ein Bild:
Bild aus Wikipedia: Hier der Link für e wenig mehr Infos:
http://de.wikipedia.org/wiki/Tikse
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Nach ein paar weiteren gemütlichen Tagen, die ich mit Peter und Inge verbracht habe, machte ich mich daran, die berühmte der sogenannte Manali-Leh-„Highway“ unter die Räder zu nehmen. Es ist eine der spektakulärsten Routen dieser Welt, führt sie doch über mehrere höchste, mit Motorfahrzeugen befahrbare Pässe der Welt.Ich wusste, dass es stellenweise schwierig werden würde, denn es handelt sich um eine Naturstrasse, die während der immer noch andauernden Monsunzeit schwer gelitten hatte. Ich fragte Bus- und Taxifahrer aus, die von Manali nach Leh gefahren sind. Zum Beispiel wusste ich, dass der Rotang La-Pass, der kurz vor Manali zu überqueren ist, total verschlammt und in katastrophalem Zustand war. Erst vor wenigen Tagen ist ein Bus mit 20 Passagieren abgestürzt. Alle waren tot. Ein Motorradfahrer aus Holland, der mit seiner Frau eine Royal Enfield in Manali gemietet hatte und damit nach Leh fahren wollte, zerstörte seine Maschine. Er wollte eine tiefe Schlammpassage am äussersten Rand, wo die Erde etwas fester war, umfahren und prompt brach der Rand ab und die Maschine stürzte auf die tiefer liegende Serpentinenstrasse ab. Zum Glück konnte er noch rechtzeitig abspringen, seine Frau war zu Fuss unterwegs. Sie kamen dann doch mit dem Bus nach Leh...
Aber der Rotang La-Pass kümmerte mich wenig, denn ich wollte sowieso kurz vor dem Pass links abbiegen und in das Spiti-Valley fahren. Dieses Tal war mein Ziel.
Ich wusste, dass die Strasse bis zum Taglang La-Pass, dem zweithöchsten, befahrbaren Pass der Welt, super sein soll. Alles Asphalt. Und so war es auch. Eine wunderbare Fahrt bis zum Gipfel, danach begann die Naturstrasse. Anfangs noch gut, später wurde es sandig, steinig oder leicht schlammig, aber eigentlich immer gut zu meistern. Immer wieder sieht man Hangrutsche, die weggeräumt werden müssen. Das Militär, für die die Strasse in erster Linie gebaut wurde und auch von ihnen unterhalten wird, hat alle Hände voll zu tun. Es kommt einem vor, wie eine Sisyphus-Arbeit, die die armen Kerle machen müssen. Dreimal werde auch ich vonHangrutschen gestoppt. Kurz vor meiner Vorbeifahrt hat Geröll die Strasse verschüttet und alle müssen auf den Trax warten, der die Brocken wegräumt. Ich muss allerdings nie länger als eine Stunde warten. Die Trax sind überall entlang der Strecke abgestellt und können so in relativ kurzer Zeit am Ort des Geschehens sein. Für einmal ist etwas gut organisiert. Die Strasse ist eben die einzige Verbindung zwischen den 450 km voneinander entfernten Manali und Leh und deshalb sehr wichtig. Vorallem für das Militär, denn für die wurde die Strasse in erster Linie gebaut...
Es ist ein wahrhaftiges Abenteuer, diese höchste Gebirgsstrecke der Welt abzufahren (es soll also doch diese Strecke sein und nicht der Karakorum Highway, wie mir versichert wurde und wie ich auch gelesen hatte). Und wunderschön. Immer wieder geht es über Pässe, durch Schluchten, Täler und Ebenen. Eine traumhaft schöne Bergwelt. Ein absolutes Enduro-Paradies!
Hier noch ein Link zum Highway, um noch etwas mehr darüber zu erfahren:
http://de.wikipedia.org/wiki/Manali-Leh-Highway
Ich wusste, dass ich die Strasse nicht in einem Stück durchfahren konnte. Man sagte mir, dass es unterwegs ein paar Gelegenheiten gibt, wo man zelten kann, bzw. bereits montierte, grosse Zelte vermietet würden. Und tatsächlich, wie vorausgesagt, kam ich gegen Abend des ersten Tages in Pang an. Ich erwartete ein Dorf, doch es war mehr ein kleines Zeltlager für Lastwagenfahrer. Und ein Militärcamp. Aber es gab ein kleines Restaurant, das von Exiltibeterinnen geführt wurde. Ich hatte eigentlich vor, mein eigenes Zelt aufzustellen, aber als ich ein soch vormontiertes Zelt schaute, sah es sehr gemütlich aus. Viel dicke Decken waren ausgebreitet und grosse Kissen lagen bereit. Es konnten etwa 10 Menschen in so einem Zelt schlafen. Man erklärte mir, dass ich der einzige Gast sei und das ganze Zelt für mich haben könne. Da habe ich nicht lange überlegt und habe es genommen. Die Übernachtung kostete 200 Ruppies, etwa 3.50 Franken. Es gesellten sich dann in der Nacht noch 2 Personen dazu. Spätankömmlinge. Nach einer recht guten Malzeit, legte ich mich frühzeitig schlafen. Es war kalt, denn wir befanden uns auf 4’500 Meter ü.M. Doch in meinem Schlafsack und ein paar Decken drüber, war das überhaupt kein Problem...
Nach einem weiteren wunderschönen Tag mit aufregender Strasse in spektakulärer Umgebung, kam ich am Spätnachmittag ins letzte Dorf vor der Abzweigung zum Rotang La-Pass, bzw. zum Spiti Valley. Wenn ich nach Manali gewollt hätte, hätte ich es an diesem Tag wohl geschafft. Da ich aber ins Spiti Valley wollte und nicht wusste, wann die nächste Übernachtungsmöglichkeit kam, beschloss ich, in diesem Dorf, Keylong, zu übernachten. Ich wusste von zwei Indern, die mir auf ihrer Royal Enfield entgegen kamen, dass es hier ein kleines, angenehmes Guesthouse geben musste. Ich wollte lieber früh am Morgen das Spiti Valley in Angriff nehmen. Zudem wusste ich ebenso, dass es Wasserdurchquerungen geben wird und dass man diese besser so früh wie möglich am Morgen hinter sich bringt, denn der Wasserstand nähme durch den Tag stetig zu. Ich hörte, dass man am Nachmittag nicht mehr durch käme. Ein weiterer Grund, erst am Morgen weiterzufahren...
Wunderschönes Wetter erwartete mich am nächsten Morgen. Ich war voller Vorfreude, denn schon viel Aufregendes hatte ich über das Spiti Valley gehört. Es war für mich ein Erfüllen eines weiteren Traumes. Ich tankte nochmals voll und stach mit einem guten Gefühl in den Tag. Schon bald kam ich an die Abzweigung. Die Strasse war bis dahin sehr gut. Asphaltiert. Die gute Strasse wand sich in Serpentinen den Berg hoch, der ganze Verkehr fuhr Richtung Manali. Ich verpasste die Abzweigung beinahe, so klein und rostig war das Schild. Und die Strasse, präsentierte sich von der Abzweigung her in jämmerlichem Zustand. Das kann ja heiter werden, dachte ich. Ich war alleine. Niemand fuhr in diese Richtung, auch kam mir vorerst niemand entgegen und ich zweifelte bereits, ob ich auch auf der richtigen Strasse war. Doch mein GPS bestätigte mir die Richtigkeit. Weit und breit keine andere Strasse. Also weiter. Anfangs war die Strasse ja noch recht gut. Schotter, ein wenig Sand und Staub. Nach ein einem Weilchen kam bereits die erste Wasserduchquerung. Nichts Wildes. Ein Bach, der von den hohen Berghängen runterkam und die Strasse überquerte. Mit der Zeit wurde die Strasse immer wilder. Der Schotter wurde immer gröber, teilweise sogar Geröll. Ich musste beginnen zu kämpfen. Aber es machte Spass und ich fühlte mich so richtig abenteuerlich unterwegs zu sein. Und dann kamen die ersten Bachüberquerungen, bei denen ich bereits meinen Mut zusammen nehmen musste. Ich war immer noch alleine. Weit und breit niemanden zu sehen. Eigentlich herrlich und lange vermisst in Indien, aber nun wäre mir schon wohler gewesen, jemanden dabei zu haben. Einfach nicht hinfallen, was das Motto. Denn ich hätte die Maschine nie und nimmer alleine aufstellen können. D.h. ohne Gepäck schon, aber es hätte mir ganz schön gestunken. Also immer schön vorsichtig fahren. Und dann kam DIE Wasserdurchquerung, vor der ich gewarnt wurde. Ein ziemlich reissender Bach, der in einer Kurve der Bergstrasse über die Strasse rauschte. Sah ziemlich tief aus. Ich konnte den Grund nicht richtig erkennen, da dass Wasser ziemlich wild über die Steine schoss. Scheisse, dachte ich. Ziemlich lange stand ich so da und überlegte, ob ich es wagen sollte. Immer noch niemanden zu sehen. Insgeheim hoffte ich, dass entweder jemand von hinten oder entgegen kam. Doch nichts. Und ewig warten wollte ich ja auch nicht, also gab ich mir einen Schups und gab Gas. Jetzt gab es kein zurück mehr, nur noch Gas geben. Ja nicht vom Gas runter. Das Wasser kam bis halber Motorblock, Stiefel im Wasser. Es holperte, das Motorrad sprang hin und her, mein Herz schlug bis zum Hals und endlich erreichte ich die andere Seite. Gut gegangen, uff.... Ich war stolz auf mich. Doch es hätte ins Auge gehen können und wenn es mich da hingeschmissen hätte, wäre das eine mittlere Katastrophe gewesen. Mein Puls war immer noch auf 180. Langsam beruhigte er sich und ein befriedigendes Gefühl machte sich breit in mir...
Die Strasse war eine richtige Herausforderung. Teilweise musste ich ersten Gang und mit den Füssen paddelnd den Weg durch grosses Geröll suchen. Es waren Hangrutsche, die nur schlecht als recht beiseite geräumt waren. Dieser Teil des Tales war der am schwierigsten zu fahren. Immer wieder kleinere Wasserüberquerungen, denn unzählige Bäche kamen überall die Hänge runter und suchten sich ihren Weg über die Strasse. Später holte ich 3 Motorradfahrer ein. Ein Engländer und zwei Israeli. Sie waren auf Royal Enfields unterwegs! Hatte ich mit meiner BMW bereits etwas zu kämpfen, was mussten denn diese zwei für einen Kampf ausfechten? Ich hatte Geländetaugliche Reifen montiert, doch sie hatten ganz gewöhnliche Strassenreifen. Eine fast aussichtlose Sache. Ich hielt an und wir bezeugten uns gegenseitig, dass wir ein wahres Abenteuer zu überstehen hätten! Entsprechend gab einer der Drei auf und verlud gerade seine Maschine auf einen Lastwagen. Er hatte die Schnauze voll, nachdem es ihn mehrmals hingeschmissen hatte. Mit einer Royal Enfield war diese Strasse wahrlich kein Vergnügen. Wir beschlossen, da wir in die gleiche Richtung fuhren, zusammen zu fahren. Später kamen wir zu einem kleinen Lager, wo es auch ein kleines Restaurant gab. Super! Es war sowieso Zeit um zu lunchen. Dort trafen wir auf eine Gruppe von Israelis, die auch gerade zu Mittag assen. Sie waren Backpackers, die mit einem Jeep unterwegs waren. Als ich am Essen war, traf plötzlich ein VW-Bus mit Zürchernummer ein. Er kam von der Gegenseite. Ich staunte nicht schlecht. Er auch! Er hatte seinen Bus nach Mumbai verschifft und bereiste Indien. Da er von der Gegenseite kam - und durchkam – wusste ich nun, dass ich das Schlimmste Stück hinter mir hatte. Ich konnte ihm für die Weiterfahrt nur viel Glück wünschen, denn ich wusste ja, was auf ihn warten würde. Ausserdem war schon Mittag und das Wasser stieg. Ich warnte ihn und empfahl ihm, hier zu übernachten und erst morgen die Bäche zu überqueren. Aber er wollte weiter. Na dann viel Spass, dachte ich...
Die Strasse wurde tatsächlich besser und war eigentlich kein Problem mehr. Über weitere Pässe, die auf über 4'000 M.ü.M. gingen, kitzligen Bergstrassen, die in steile Abhänge gehauen waren und zur Abwechslung durch schöne, weite Täler erreichte ich gegen Abenddas kleine Dorf Losar wo ich in einem sehr bescheidenen Guesthouse übernachtete. Das Dorf war immer noch auf ca. 4’100 Meter und in der Nacht wurde es entsprechend empfindlich kalt.
Früh am nächsten Morgen machte ich mich wieder auf den Weg um bis zum Distriktshauptort von Spiti, Kaza, zu kommen, mein heutiges Etappenziel. Ich wusste, dass dies der erste etwas grössere Ort ist und dass ich dort die benötigte Bewilligung erhalten würde, die nötig war, um diesen Teil der Strecke, bzw. des Tales zu durchqueren. Die Strasse führt bis unmittelbar an die tibetische Grenze, bevor sie sich wieder davon entfernt. Das Spiti Valley, bzw. die Strasse führt eigentlich in einem grossen Bogen um eine Bergkette herum und das östlichste Ende liegt an der tibetischen Grenze. Das ist militärisch/politisch sensibles Gebiet und deshalb wollen die Inder wissen, wer da vorbeifährt. Die Bewilligung zu erhalten war kein Problem. Zwei Passfotos, zwei Kopien des Passes/Visums und schon hat man den Wisch. Das Ganze dauerte etwas 20 Minuten.
Ich beschloss 2 Tage Halt im auf ca. 3'500 M.ü.M. gelegenen Kaza zu machen und mir in der Umgebung liegende tibetische Klöster anzuschauen. Die Klöster liegen hoch oben in den Bergen und die Fahrt dahin ist recht abenteuerlich, aber kein Problem. Harter Schotter/Erde. Und man hat einmal mehr eine fantastische Aussicht in die Bergwelt. Es ist immer wieder erstaunlich, wo die Mönche ihre Klöster hingebaut hatten. Wenn man bedenkt, dass die Klöster vor hunderten von Jahren in diese raue, unwirtliche Gegend gebaut wurden, dann ruft das einem den grössten Respekt hervor. Es ist nur noch faszinierend...!
Im Kloster in Hikkim (4'300 M.ü.M.) lerne ich einen Mönch kennen, der mich im Kloster herum führt. Er kann etwas Englisch und erklärt mir manches. Ich darf ins Heiligste rein und den studierenden Mönchen zuschauen. Leider sind keine Fotos erlaubt, was ich allerdings gut verstehen kann. Alles sieht uralt aus. Die Decken und Wände sind wunderschön bemalt. Ein riesiger Buddha in Goldfarbe steht am Ende des Raumes und überblickt alles. Überall hängen schön verzierte Stoffbahnen von der Decke, Räucherstäbchenduft gibt dem Raum seine typische Duftnote, heilige Utensilien und Opfergaben stehen und liegen an ihren dafür vorgesehen Plätzen. In zwei Reihen, links und rechts des Mittelganges, sitzen die Mönche über ihren Schriften und studieren. Es ist ein magischer Moment und berührt einem zutiefst. Seit Jahrhunderten muss es hier so zu und her gehen. Ich habe das Gefühl, ich schaue in einen uralten Film rein. Oder wie ich eine Zeitreise in eine alte Vergangenheit gemacht hätte...
In der Bibliothek des Klosters zeigt mir der Mönch jahrhundertealte Bücher und Manuskripte. Ein wahrer Schatz. Ich staune nur noch und komme mir vor wie in einem Museum. Etwas später lädt er mich zum Teetrinken ein. Es war ein super Erlebnis, einmal tiefer in das Klosterleben reinschauen zu dürfen. Tief beeindruckt verliess ich das Kloster wieder und fuhr die Strasse weiter hoch, bis sie im kleinen Dorf Langza hoch oben in den Bergen auf weit über 4'000 Meter endete. Ich staunte nicht schlecht, dass es dort ein Guesthouse mit Restaurant gab. Dort traf ich.... Schweizer an! Die trifft man doch wirklich überall und an den entlegendsten Winkeldieser Erde an!
Den nächsten Tag beobachtete ich dem Treiben auf dem Markt vonKaza zu. Da es der grösste Ort auf der Strecke ist, gibt es hier auch recht viele Hotels, Guesthousesund Restaurants. Und Internet. Ich beschloss einen weiteren Tag anzuhängen. Es gefiel mir hier. Es war ein Sammelbecken von Touristen, die sich von Bergtouren und strapaziösen Jeepfahrten erholten. Und so konnte man hier Info’s austauschen oder einfach wieder mal ein nettes Gespräch führen...
Das Spity Valley hört von hier aus bald mal auf und mündet ins Rupa Valley des überaus schönen und spektakulären Kinnauer Distrikts über. Das Rupa Valley wird geprägt von engen Schluchten. Da die Hänge hier sehr steil sind, ist die Strasseimmer wieder von Hangrutschen verschüttet und entsprechend schlecht ist der Zustand. Aber total spannend und wunderschön um mit dem Motorrad hier durchzufahren. Immer wieder halte ich an und staune, mache Fotos und Pausen. Aber ich muss immer auf der Hut sein, denn teilweise ist die Strasse wirklich erbärmlich schlecht und zudem könnte jederzeit Steine runterfallen. Mehrmals sehe ich kleine Gerölllawinen. Nichts Schlimmes, aber es mahnt einem zur Vorsicht und entsprechend beobachte ich auch die Hänge. Zwei, dreimal werde ich sogar von kleinen Steinen getroffen! Aber ich geniesse die Fahrt sehr. Einfach super, dem Fluss entlang auf der Schotterstrasse, die sich immer wieder eng in die Felsen schmiegt und durch enge Schluchten führt, zu fahren. Am Abend, es ist bereits am eindunkeln, erreiche ich Kalpa. Kalpa hat den Status eines Kurortes, ist Reiseziel mancher Inder, da es auf etwa 2'500 Meter liegt und deshalb ein sehr angenehmes Klima hat. Entsprechend hat es viele Hotels und Restaurants. Ideal um dort zu übernachten.
Die Fahrt durch das Spity- und Rupa Valley neigte sich am nächsten Tag dem Ende zu. Kalpa liegt bereits am fast am Ende des Tales. Die heutige Etappe sah das Erreichen von Shimla vor, das ehemalige Regierungszentrum der Engländer während der heissen Sommermonate. Immer weiter und offener wurde das Tal und plötzlich eröffnete sich mir ein Blick in die weitere Ferne auf Hügel- und Bergketten. Immer noch aufregend, schlängelt sich die Strasse die Berghänge entlang, hoch über dem Fluss, der sich weit unten den Weg durch die Täler und Schluchten frass. Nun näherte ich mich auch immer mehr der Zivilisation, denn nun befand ich mich nicht mehr weit vom Abstieg der Berge runter in das weite, flache Land Indiens. Hier, am Rande der hohen Berge, befinden sich viele Dörfer und Städtchen, die auf angenehmer Höhe um die 2'000 Meter über Meer gebaut wurden. Die Königin unter den Höhenorten ist zweifelsohne Shimla. Die Stadt wurde von den Engländern grossartig in die Berghänge gebaut und heute noch kommt die Stadt „very british“ daher. Viele der Kolonialbauten stehen noch und die heutigen Bewohner pflegen das Image des englischen Höhenkurortes mit Leidenschaft. Tatsächlich zieht einem Shimla in seinen Bann. Im Zentrum, der „Mall street“ stehen hübsch gepflegte, englische Häuser und beherbergen zahllose westliche Firmen wie Toni Hilfiger, Mc Donalds, Gucci, Lacoste oder Swatch. Es ist extrem touristisch. Für manche „honeymooners“, also Päärchen auf Hochzeitsreise, oder Bürger der Mittel- oder Oberklasse ist es „hip“, Ferien in Shimla zu machen. Entsprechend hoch sind die Preise hier. Mit typisch Indien hat hier herzlich wenig zu tun. Ich bleibe 2 Tage, stiefle im Zentrum herum und beobachte die Menschen. Ich geniesse zum letzten Mal die angenehmen Temperaturen bevor es wieder runter geht in die weite Ebene und Hitze.
Ich bereite mich geistig darauf vor, wieder in das typisch indische Gewusel, Verkehrchaos und Hitze einzutauchen, als es 2 Tage später wieder weiterging. Wie weiter ich den Berg herunterfuhr, desto mehr stiegen die Temperaturen wieder an. Meine Etappe führte mich nach heute Chandigarh, die Stadt die vom Schweizer Architekten Le Corbusier auf dem Reisbrett entworfen wurde. Ich will mich hier nicht mit den Details dieser sehr aussergewöhnlichen Stadt befassen, aber wen es interessiert, hier gibt es die Info’s dazu:
http://de.wikipedia.org/wiki/Chandigarh
Was mich in dieser Stadt vorallem interessierte, war der sogenannte „Rock Garden“. Es ist eine Sehenswürdigkeit der besonderen Art. Auf ca. 10 Hektar gestaltet seit Mitte der 60er Jahre der Künstler Nek Chand eine Art Gegenwelt zur modernen Planstadt von Le Corbusier. Es ist ein Gartenkunstprojekt, wobei der Künstler die skurrilsten Skulpturen aus Zivilisationsabfällen kreiert. Den ganzen Tag kann man auf vorgegebene Wege durch Steinschluchten, Plätze, Höhlen, vorbei an Wasserfällen und immer wieder an skurrilen Skulpturen vorbeiflanieren. Ein lustiges Erlebnis und Spass für Gross und Klein. Wirklich was total Aussergewöhnliches. Wer tatsächlich mal nach Chandigarh kommt, sollte den Besuch dieses Parks unbedingt einplanen.
Chandigarh war für mich das zweitletzte Ziel meiner Indienreise. Nun galt es nach Varanasi zu kommen – das letzte Highlight bevor es rauf nach Nepal gehen sollte. Es lagen etwa 1'000 km vor mir. Da ich mittlerweile etwas Indienmüde geworden war, wollte ich nur noch so schnell wie möglich nach Varanasi kommen. Ich suchte mir die schnellste Strecke auf der Karte aus und gab Gas. In drei Tagen wollte ich in Varanasi sein und entsprechend musste ich Gas geben, denn über 300 km an einem Tag ist in Indien eine hohe Herausforderung. Und tatsächlich, der Verkehr wurde immer dichter, wie weiter ich nach Osten in den Bundesstaat Uttar Pradesh kam. Kunststück, ist doch Uttar Pradesh zwar nur der fünftgrösste Bundesstaat, jedoch der mit am Abstand bevölkerungsreichste. Über 200 Millionen Menschen auf ca. 230'000 km2, was einen Schnitt von 828 Einwohner pro Quadratkilometer macht. Wäre Uttar Pradesh ein selbstständiger Staat, würde er in der Liste der Länder mit der größten Einwohnerzahl knapp hinter Brasilien an sechster Stelle kommen! (Zahlen aus Wikipedia). Entsprechend war der Verkehr die Hölle. Zum Ende meiner Indienreise bekam ich noch mal eine geballte Breitseite des ganzen indischen Chaos vor die Räder geschmissen! Es war zum Teil die Hölle! Einmal mehr konnte ich es nicht glauben, was da alles auf der Strasse abging. Ich musste höllisch aufpassen, damit ich zum Ende nicht doch noch einen Unfall hatte. Wieder und wieder musste ich Geisterfahrer ausweichen, Vollbremsungen machen und die Strasse fluchtartig verlassen. Es ist einfach der nackte Wahnsinn! Ich hatte von Indien langsam wirklich die Nase voll. Doch Varanasi musste noch sein. Erstens ist die Stadt eine der ältesten Städte Indiens und gilt als heiligste Stadt des Hinduismus. Sie hat 1,2 Millionen Einwohner.
Zitat aus Wikipedia:
„Varanasi gilt als Stadt des Gottes Shiva Vishwanat ("Oberster Herr der Welt") und als eine der heiligsten Stätten des Hinduismus. Seit mehr als 2.500 Jahren pilgern Gläubige in die Stadt, die zudem ein Zentrum traditioneller hinduistischer Kultur und Wissenschaft ist.
Als besonders erstrebenswert gilt es für strenggläubige Hindus, in Varanasi im Ganges zu baden sowie dort einmal zu sterben und verbrannt zu werden. Entlang des Flusses ziehen sich kilometerlange stufenartige Uferbefestigungen hin, die Ghats, an denen auf der einen Seite die Gläubigen im Wasser des für sie heiligen Flusses baden und wenige Meter weiter die Leichen der Verstorbenen verbrannt werden. Die Asche streut man anschließend ins Wasser. Ein Bad im Ganges soll von Sünden reinigen, in Varanasi zu sterben und verbrannt zu werden soll vor einer Widergeburt schützen.“
(Ghats in Varanasi, Foto aus Wikipedia)
Zweitens wollte ich eine Familie besuchen, mit der sich mein Bruder auf seiner Indienreise angefreundet hatte. Sie erwarteten mich.
Ich wurde herzlich empfangen. Nandu, der 43-jährige Vater der vierköpfigen Familie, gab sich alle Mühe, mir einen spannenden Aufenthalt in Varanasi zu bereiten. Er zeigte mir verschiedene Tempel, die Verbrennungsplätze, den Königspalast, Schleichwege durch die engen Gassen der Altstadt, heilige Orte, wo Rituale vollzogen werden und führte mich mit seinem Boot auf dem Ganges hoch und runter. Dank ihm habe ich vieles gesehen, dass ich womöglich nie gesehen hätte. Obwohl die Familie sehr bescheiden in einem Raum von ca. 12 m2 lebt und sehr arm ist, durfte ich nie in einem Restaurant essen. Er bestand darauf, dass ich jeden Tag zu Mittag und zu Abend bei ihnen ass. Immer wieder lud er mich zu einem Chai (Schwarztee mit Milch und Zucker) ein. Auch durfte ich nie Geld geben und als ich zum Abschied Geschenke für die ganze Familie kaufen wollte, protestierte er auf’s heftigste. Doch ich liess nicht locker und an ihren strahlenden Augen sah ich, dass sie glücklich darüber waren...
Ich blieb 1 Woche in Varanasi, doch nun zog es mich immer vehementer ins nahe gelegene Nepal. Ich hatte nun wirklich genug vom allgemeinen Chaos. Es lagen nur noch die letzten 350 km vor mir...
Als ich losfuhr, dachte ich mir, diese 350 km wären ein Klacks und ich würde es locker in einem Tag an die Grenze schaffen. Pustekuchen! Die Strasse war eine Katastrophe und selbstverständlich total überfüllt. An ein zügiges Vorwärtskommen war nicht zu denken. Ich schaffte lediglich ca. 250 km. Die letztegrosse Stadt vor der Grenze ist Gorakhpur – einem Knotenpunkt zwischen 2 grossen Nationalstrassen. Ein letztes Mal erlebte ich das totale Chaos. Die Stadt war dermassen verstopft, dass ich – nachmittags um 4 – beschloss, hier nochmals zu übernachten und morgen früh ausgeruht die letzten 100 km an die Grenze zu fahren. Ich war erledigt. Es herrsche eine Schweinehitze, ich war total durchgeschwitzt und ich hatte keine Nerven mehr. Da beschloss ich ins beste Hotel der Stadt zu gehen und liess mich von jemandem dorthin eskortieren. Ich hatte im Laufe der Reise gemerkt, dass es sich lohnt, etwas mehr auszugeben und in bessere Hotels abzusteigen. Dort herrschte Ruhe, Sauberkeit, Freundlichkeit, Kühle, gutes Essen und ein sauberes, gutes Bett!. Es war jeweils wie in eine Oase zu gelangen. Ich erholte mich auf diese Weise am Besten. Das Chaos blieb aussen vor und ich konnte abschalten und runterfahren. Zudem hatten die besseren Hotels auch WIFI und ich konnte etwas im Internet surfen und mit meiner Freundin skypen. Eine gute Taktik...
Am nächsten Morgen brauchte ich über eine Stunde um nur schon aus der Stadt zu finden. Keine Wegweiser und natürlich wieder alles verstopft. Ich sah auf meinem GPS die Strasse, die ich benötigte, aber ich konnte sie nicht finden. Ich irrte durch Quartiere und suche und suchte. Aber alle Strassen endeten immer wieder an einer Bahnlinie und weit und breit kein Bahnübergang. Das gibt’s doch nicht, sagte ich mir und so kam ich immer weiter zurück in die Stadt rein und ins Chaos. Endlich fand ich den Übergang und sobald ich diese verrückte Stadt hinter mir gelassen hatte, ging’s wieder zügiger vorwärts. Und dann, 20 km nach der Stadt und 80 km vor der Grenze wäre es beinahe doch noch passiert! Ich sah den Lastwagen, halb auf der Gegenfahrbahn stehend und der Verkehr, der selbstverständlich auf meiner Seite den Lkw überholte. Ich näherte mich der Stelle und wusste ja genau, was auf mich zukommt. Mit DAUERHUPE wollte ich die Stelle passiere. Ich hatte es schon beinahe geschafft, als im letztem Moment ein kleinesMotorrad hinter dem Lkw hervorschoss und prompt mir in die Seite fuhr, bzw. mit mir seitlich kollidierte. Eine Streifkollision sozusagen. Mit sehr viel Glück konnte ich einen Sturz vermeiden und landete im Strassengraben. Er hielt sich ebenfalls im Sattel. Aber hatte mir meine Tankseitentasche abgerissen. Nicht etwa den Reissverschluss aufgerissen, sondern den ganzen, dreifach vernähten Reissverschluss abgerissen! Die Tasche lag mitten auf der Strasse. Ich schaute zurück, sah den Kerl mit seinen zwei Mitfahrer stehen. Er sah mich an, sah das grosse Motorrad, sah die Tasche auf der Strasse und gab dann Gas. Haute einfach ab, das Schwein! Ich fluchte wie ein Rohrspatz. Ich war so was von zornig. Ich schleuderte ihm alle Schimpfwörter hinterher und konnte es nicht glauben. 15'000 km ohne Zwischenfälle und 80 km vor der Grenze wäre es doch noch fast passiert. Es passierte an einem Dorfanfang und die Menschen hatten es gesehen. Sofort war ich wieder mal umringt von Leuten. Aber sie gaben mir recht, denn ich fuhr korrekt. Sie sagten mir, dass es nicht recht sei, dass der Kerl abgehauen sei. Sie entschuldigten sich für ihn. Gemeinsam begutachteten wir den Schaden. Ich sah, dass es eigentlich halb so wild war. Der Reissverschluss musste nur wieder angenäht werden. Ich fragte nach einem Strassenschuhmacher. Jemand lief los und suchte einen. Dort wo ich stand, war gleich ein Coiffeurladen. Ok, Laden ist etwas übertrieben. Es handelt sich um vier Holzpfosten mit Strohdach und einer Holzwand mit einem aufgehängten Spiegel. Der Coiffeur lud mich sogleich ein, mich auf seinen Stuhl zu setzen. Man brachte mir Wasser und der Coiffeur fächerte mir mit seinem Tuch frische Luft zu. War zu herzig, die Situation! Nun sass ich da, umringt von zig Männer und Kinder, die mich anstarrten oder das Motorrad begutachteten. Da kam der Mann mit einem Schuhmacher zurück. Ich erklärte ihm, was er machen sollte. Kein Problem für ihn und er nähte mir den Reissverschluss wieder superstark an die Grundplatte des Tankrucksackes. Als ich zahlen wollte, wurde mir es verweigert. Die Leute legten zusammen und bezahlten den Schuhmacher. Das war wirklich sehr nett und freundlich. Wir machten noch gemeinsame Fotos und in wieder viel besserer Stimmung verliess ich den Ort des Geschehens. Zum Schluss erlebte ich noch eine nette Geschichte, die mich wieder etwas versöhnlicher werden liess.
Die letzten 80 km verliefen ruhig, mit wenig Verkehr und ereignislos. Die Vorfreude auf Nepal wuchs mit jedem Kilometer. Endlich würde es wahr werden. Wie Indien war auch Nepal immer ein Traum von mir. Und nun lag er zum greifen nah...
Der Grenzübergang selbst natürlich wieder sehr chaotisch, jedoch problemlos. Ich erhielt meine Stempel ohne gross warten zu müssen und vorallem ohne böse Überraschung. Der Brief, den ich in Amritsar organisieren musste, um die Aufenthaltsbewilligung für das Motorrad zu verlängern, erzeugte zwar kurz eine Diskussion unter den Angestellten, aber schlussendlich kam ich ohne Probleme über die Grenze.
Ich rollte unter dem Schlagbaum durch und fuhr in Nepal ein...
Liebe Grüsse an alle und bis zum nächsten Bericht über Nepal
Euer Thierry
15. September 2011
Anmerkung:
Leider hat sich meine ext. Festplatte selber zerstört, bzw. der Schreibkopf hat die thermische Oberfläche so sehr beschädigt, dass alle meine Fotos von Kashmir zerstört wurden. Ein grausamer Verlust! Ich konnte es nicht glauben. Zur Zeit ist die Festplatte in einem Spezallabor und mit viel Glück kann vielleicht etwas gerettet werden. Aber das Resultat steht noch aus. Der Prozess könne Monate dauern, sagte man mir...
Aus diesem Grund kann ich euch leider keine Bilder von der fantastischen Bergwelt Kashmirs zeigen. Sollten die Bilder noch gerettet werden können, werde ich sie selbstverständlich noch veröffentlichen. Drückt die Daumen...
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Indien - 2. Teil
Nun bin ich also wieder unterwegs...
Der Abschied fiel mir einigermassen schwer, hatte ich mich doch an das gemütliche Leben in Goa gewöhnt und mit Ingo und Wolf eine schöne Zeit verlebt. Dazu kam, dass eine Strassenhündin unseren Garten als Geburtsstätte ihrer 9 (!) Welpen auserkoren hatte und wir das Heranwachsen hautnah beobachten konnten. Das war ja soooo süss. Ich hatte sie richtig ins Herz geschlossen, aber auch sie musste ich hinter mir lassen...
Bevor der Moment des Abschieds gekommen war, machten wir mit einem Freund von Ingo, der ein paar Tage zuvor eingetroffen war, einige Fahraufnahmen und ein Interview. Er ist nämlich Dokumentarfilmer und er fand, dass meine aussergewöhnliche Reise ein gutes Thema sei. Er wird das Material zusammenschneiden und eine kurze Doku machen, die er dann in Youtube veröffentlichen wird. Ich bin ja sehr gespannt. Ich werde dann den Link hier, auf meiner Webseite und in Facebook veröffentlichen...
Nun hiess es aufsitzen und losfahren. Nochmal fuhr ich die Strecke nach Panaji, die ich so manches Mal in den vergangenen Wochen gefahren war und nahm Abschied von Goa. Schon bald war ich wieder im Reiserhythmus und freute mich wieder unterwegs zu sein. Da Goa sehr klein ist, befand ich mich schon bald im südlichen Nachbarstaat Karnataka. Diesen durchquere ich in 2 Tagen und nun begann der nächste Highlight: der Staat Kerala. Die zweithöchste Bergkette Indiens, die Westghats, erreichen ihre höchsten Erhebungen in Kerala. Entsprechend wunderschön ist die Gegend mit kurvenreichen Strassen in reizvoller Umgebung. Dank des herrschenden Klimas gedeihen Teeplantagen ausgezeichnet und prägen die Landschaft. Ich besuche Kurorte und beliebte Ausflugsziele in bis zu 2'000 Metern Höhe. Das Klima ist wunderbar angenehm. Endlich ist es wieder mal etwas kühler...
Nach den Bergen, die etwas im Landesinneren liegen, geht es wieder zurück an die Küste. Ich besuche das ehemalige portugiesische Fort Kochi (auch Cochin geschrieben), das auf vorgelagerten Inseln gebaut wurde. Es war die erste europäische Handelsniederlassung auf dem indischen Subkontinent! Die Gründung erfolgte 1502. In den folgenden Jahren weiteten die Portugiesen ihren Machteinfluss aus und in der Folge wurde Kochi konsequenterweise auch zur ersten europäischen Kolonie. Heute sind allerdings nur noch ein paar wenige Gebäude aus dieser Zeit zu sehen – zwei Kirchen, ein unspektakulärer Palast und ein paar Wohnhäuser. Allerdings ist die Franziskanerkirche die älteste von Europäern erbaute Kirche Indiens. Sie wurde 1503 aus Holz errichtet, Mitte des 16. Jahrhunderts aber als Steinbau erneuert. Auch steht noch die älteste Synagoge, diein Indien gebaut wurde, denn die Juden waren schon lange vor der Ankunft der ersten Europäer ansässig.
Was hübsch anzusehen ist, sind die an der Nordspitze der Halbinsel aufgestellten berühmten Chinesischen Fischernetze. Sie sollen schon im 13. Jahrhundert durch chinesische Kaufleute eingeführt worden sein. Die schweren Holzkonstruktionen, an denen Netze hängen, werden vor allem bei Hochwasser genutzt. Zu ihrer Handhabung werden mindestens vier Männer benötigt.
Chinesische Fischernetze in Kochi
Da ich kein Hotel mit sicherem Parking fand, stieg ich in einem besseren Hotel ab, das „Fort Queen“. Tut abgesehen davon auch gut, zwischendurch mal ein richtig gutes Bett und eine gut funktionierende Dusche zu haben. Der Hotelmanager war von meinem Motorrad und meiner Reise dermassen angetan, dass er einen Zeitungsreporter anrief und ihm von mir erzählte. Prompt tauchte der auf und brachte gleich noch einen Kollegen mit. In der Folge gab es ein Interview und eine Fotosession. Allerdings war sein Englisch nicht so toll und er brachte einiges durcheinander, so dass im ein paar Tage später erscheinenden Artikel einiges verkehrt war. Unter anderem machte er mich gleich um 5 Jahre älter, was natürlich gar nicht geht! Die eine Zeitung, „Indien News“ war auf Englisch und somit lesbar, aber die andere ist eine Zeitung, die ausschliesslich im Staat Kerala erscheint und in Malayalam geschrieben ist – unlesbar für unsereins.
Die Zeitungen „India News“ und...
... „Malayala Manorama“, die Zeitung aus Kerala
Ein Erlebnis der besonderen Art ist der Besuch einer Kathakali-Tanzvorführung. Kathakali ist überwiegend im südindischen Bundesstaat Kerala angesiedelt und wird als eine der ältesten Tanzformen angesehen. Es ist eine spektakuläre Mischung aus Drama, Tanz, Musik und Ritual. Charaktere mit lebendig bemalten Gesichtern und aufwändigen Kostümen erzählen Geschichten aus den Hindu-Epen. Hier zwei typische Charaktere, die ich aus Wikipedia kopiert habe:
und
Weibliche Rollen, wie hier eine Minukku, werden traditionellerweise von Männern dargestellt, Frauen finden jedoch zunehmend Anerkennung im Kathakali.
Für weitergehende Informationen, hier der Link zur Wikipedia-Seite:
http://de.wikipedia.org/wiki/Kathakali
Auch wenn die Tanzvorführungen auf Touristen zugeschnitten sind, ist der Besuch unbedingt empfehlenswert. Es ist immerhin ein Stück indische Kultur und wunderschön anzuschauen. Die Chance, dass man einer typischen Vorführung im Rahmen eines Tempelfestes beiwohnen kann, ist doch ziemlich klein. Ausserdem dauern diese Vorführungen bis in die frühen Morgenstunden...!
Nachdem ich die Highlights von Fort Kochi gesehen hatte, machte ich mich wieder auf den Weg. Mein nächstes Etappenziel sollte in einem Tag zu schaffen sein: Verkala. Verkala ist eine beliebte und schöne Feriendestination im Süden von Kerala. Ich finde per Zufall ein tolles Hotel, dass von einer Deutschen geführt wird. Sie gabelt mich auf der Strasse auf, als ich gerade nach einem Hotel frage. Sie sah mich, umzingelt von Indern, nach dem Weg fragen und entdeckte mein Schweizer Kontrollschild. Seit einem Jahr führt sie ein kleines Hotel, mitten im Grünen und nur 2 Minuten vom Strand entfernt. Und... sie hat WIFI im Hotel, was für mich ein entscheidendes Kriterium war. Es ist nämlich überraschenderweise schwierig, in Indien ein Hotel mit WIFI zu finden. Nur die Teuersten bieten es (manchmal) an. Ich verbringe 3 gemütliche Tage in Verkala und habe Glück, dass an einem Abend zufälligerweise gerade ein Tempelfest stattfindet. Dazu gehört eine Parade auf der Strasse. Es geht sehr farbenfroh und laut zu und her. Auf Wagen werden Götter und Figuren aus der Hindu-Religion gezeigt. Herrlich schön und gut gemacht. Dazu wird viel getanzt und getrommelt. Ein schönes Erlebnis, mit dem ich nicht gerechnet hatte...
Von Verkala aus, ist es nicht mehr weit bis zum Südkap Indiens, einem Zwischenziel von mir. Ich sollte es von der Distanz her gesehen, eigentlich locker in einem Tag schaffen. Doch ich habe nicht mit solch einem Verkehr gerechnet! Der ganzen Küstenlinie entlang steht Dorf um Dorf und zwei grössere Städte, die es zu durchqueren gilt. Es herrscht ein elender Verkehr und oft schleiche ich mit 20 bis 30 km/h hinter Lastwagen hinterher. Ich komme kaum vom Fleck. Die Strasse ist lediglich zweispurig und hoffnungslos überfüllt. Alles was sich bewegen kann, nutzt sie. Man kann kaum überholen. Immer wieder setzte ich zu waghalsigen Manövern an, damit ich wenigstens ein bisschen vorwärts komme. Zudem ist es heiss und ich schwitze mir einen ab. Zu allem Überfluss erleide ich einen weiteren Plattfuss – der Siebte! Auch das noch! Ich muss einsehen, dass meine Metzeler Tourance nach 26'000 km am Ende sind. Eine sehr stolze Leistung! Noch nie habe ich so viele Kilometer mit einem Reifen hinbekommen. Doch die Karkasse ist mittlerweile mehrfach durchgebrochen. Es hat einfach keinen Sinn mehr, obwohl das Profil sicher noch 2-3'000 km zugelassen hätte, optimistisch gesehen. Ich hoffte, damit noch bis nach Delhi zu kommen und meine Metzeler Enduro 3 mit mittelgroben Stollen für die Berge aufzusparen. Aber ich musste einsehen, dass sie nun endgültig hinüber waren. Ok, also wechseln... Ich schleppe seit der Türkei einen Satz mit, denn ich wusste, dass ich in Indien keine vernünftigen Reifen finden würde. Zumindest nicht in vernünftiger Zeit. Da es ein ganz anderer Reifentyp ist, wechsle ich gleich beide. Zumindest bin ich nun das zusätzliche Gewicht am Heck los. Auch nicht schlecht. Ich fahre fortan noch sorgfältiger und so reifenschonend wie möglich, denn ich werde die Stollen in den Bergen noch benötigen. Bis Delhi muss ich den Reifen dennoch schon 4'000 km zugestehen...
Durch die Panne verliere ich Zeit und es reicht mir nicht mehr, das Ziel, Kanyakumari, bei Tageslicht zu erreichen. Auch das noch, jetzt muss ich noch anderthalb Stunden in der Nacht fahren. Das wollte ich unbedingt vermeiden, denn schon am Tag ist der Verkehr völlig verrückt. Aber in der Nacht ist er schlicht lebensgefährlich, denn viele Fahrzeuge halten das Abblenden für unnötig. Hauptsache sie sehen was! Die Rücksichtslosigkeit, die am Tage herrscht, potenziert sich in Nacht dadurch zusätzlich. Ich stehe manchmal fast still, wenn ein Auto mit aufgeblendeten Scheinwerfern auf mich zukommt. Zu gross ist die Angst, dass ich am Strassenrand eine Kuh, ein unbeleuchtetes Fahrzeug oder einen Fussgänger übersehe. Es ist die Hölle! Wenn kein Fahrzeug entgegenkommt gebe ich Vollgas und wenn eines kommt, stehe ich fast still. Es ist zum kotzen und ich bin so was von froh, als ich Kanyakumari endlich um 20 Uhr erreiche... Ich hatte einen Hoteltipp und kann mich deshalb rasch durchfragen. Ich bin fix und fertig vom anstrengenden Tag (und Nacht). Absatteln, einpuffen, was essen und ab in die Haja (Bett).
Am nächsten Morgen schaue ich mir das Südkap Indiens an. Eigentlich nichts spektakuläres. Es hat zwei kleine Inseln vorgelagert. Eines mit (natürlich) einem Tempel und auf dem anderen steht eine grosse Götterstatue. Dazu viele Souvenirläden (für die vielen indischen Touristen). Das war’s. Eigentlich eher enttäuschend. Noch im Laufe des Morgens packe ich, fahre noch ein wenig die Küste hoch und runter und stelle fest, dass es Landschaftlich langweilig aussieht. Ok, also gleich weiter, wieder nordwärts...
Mein nächstes Ziel ist Madurai. Ich weiss, dass sich dort ein wunderschöner Tempel befindet. Den wollte ich mir anschauen. Zu meiner Freude beginnt schon bald hinter Kanyakumari eine neue, vierspurige Autobahn und... sie ist fast leer! Was für ein geiles Gefühl, endlich wieder mal 100 fahren zu können und keine Gefahren befürchten zu müssen. Ich komme locker voran und benötige für die 250 km lediglich dreieinhalb Stunden. Ich geniesse es so richtig, wieder mal Gas geben zu können...
Auch in Madurai habe ich einen Hoteltipp und finde es entsprechend schnell. Die einfachste Art ist, einen der Auto-Rishaws (Tuc-Tuc)-Fahrer zu fragen und mich hinlotsen zu lassen. So mühsam und alles blockierend die Tuc-Tucs manchmal, bzw. meistens sind, so praktisch sind sie zuweilen auch. Da ich schon MitteNachmittag angekommen war, besuchte ich den nahe gelegenen Tempel noch am selben Tag, damit ich ihn in der Abendsonne fotografieren konnte. Es stellte sich heraus, dass ich das Innere sowieso erst am nächsten Tag besichtigen konnte, da der Tempel heute geschlossen war. Meine Erwartungen wurden übertroffen! Der Tempel hat zwölf Türme, doch die vier Haupttürme sind gewaltig und ich traute meinen Augen kaum. Jeder über 60 Meter hoch und übersät mit Figuren und Figürchen. Eine Riesenarbeit! Man kann sich stundenlang damit beschäftigen, die Figürchen anzuschauen und immer wieder Neues zu entdecken. Unglaublich und faszinierend! Die Hindus mit ihren über 300'000 (!) Götter haben da ja einen unerschöpflichen Fundus. Nicht nur die Figuren werden dargestellt, sondern auch die dazugehörenden Tiere und Szenen aus den Hindu-Epen. Wie gesagt, unerschöpflich...
Madurai ist ebenso interessant, um im historischen Quartier in den engen Gassen herumzuschlendern und das pulsierende Leben zu beobachten. Interessant ist auch den Blumenmarkt zu besichtigen. Dort werden Blumenblüten entweder Sackweise oder bereits zu Girlanden geflochten verkauft. Man kann Frauen und Männer beobachten, wie sie geschickt die Blumenketten zusammenfügen. Ein herrlicher Duft liegt über dem Ganzen. Zwei Tage verbringe ich in Madurai, bevor es weiter geht.
Mein nächstes Ziel heisst Thanjavur. Hauptsehenswürdigkeit Thanjavurs ist der monumentale Brihadisvara-Tempel, der 1010 auf dem Höhepunkt der Macht der Chola-Dynastie entstand. Er wurde ausgezeichnet renoviert und zählt zum UNESCO-Weltkuturerbe.
Wer sich für die beeindruckende Geschichte und mehr Details einer der bedeutendsten und einflussreichsten Königreiche Indiens, den Cholas, und ihrenschwer beeindruckenden Tempel Brihadisvara-Tempels interessiert, hier die Links zu Wikipedia:
Chola-Dynastie: http://de.wikipedia.org/wiki/Chola
Brihadisvara-Tempels:http://de.wikipedia.org/wiki/Brihadisvara-Tempel
Thanjavur liegt auf dem Weg und so ist für mich klar, dass ich auch noch diesen Tempel mitnehme, mir aber sage, das war es dann mit Tempeln! Ich sah bis dahin einige wichtige und beeindruckende Tempel wie in Hampi, Madurai und Thanjavur, nebst vielen kleineren und unwichtigeren (sofern man bei einem Tempel von unwichtig sprechen kann). Aber aus touristischer Sicht genügt das, zumindest für mich. Irgendwann wiederholt sich das Ganze. Es sind doch immer wieder dieselben Figuren und derselbe Stil. Das hat sich in all den Jahrhunderten nicht geändert. Es ist dasselbe mit den Tempeln in z.B. Thailand: wunderschön anzuschauen und doch ähneln sie sich alle und irgendwann hat man es gesehen. Doch Thanjavur hat sich gelohnt, anzuschauen. Da die beiden Städte nicht sehr weit voneinander liegen, erreiche ich Thanjavur am frühen Nachmittag. Ich checke in ein Hotel nahe der historischen Stätte ein und mache mich sogleich an die Besichtigung. Da es bereits Mitte Nachmittag ist, werde ich bestes Lichts für’s fotografieren haben. Einmal mehr staune ich über die Steinmetzkunst der alten Inder. Was die alles auf die Fläche eines Tempelturms meisseln können, ist einfach erstaunlich und wunderschön anzuschauen. Hier ein Müsterchen:
Die beeindruckenden Tempelpyramiden von Thanjavur
Da es in Thanjavur ansonsten nichts anderes Interessantes zu besichtigen gibt und ich den Tempel ausgiebig studieren konnte, zog ich am nächsten Morgen gleich weiter Richtung Küste. Das nächste Ziel war Puducherry, an der Ostküste. Dort werde noch Französisch geredet, wurde mir gesagt. Das wollte ich auschecken. Eine weitere 300 km-Etappe, die ich in 8 Stunden schaffe...
Der Verkehr wird wieder zusehends mühsamer, die Strassen schlechter und die Hitze steigt täglich. Landschaftlich wird es immer flacher und öder. Ich weiss aus den Gesprächen mit Lambert (der Tourguide aus Kerala), aus Lonely Planet und auch von anderen Travellern, dass es von nun an nichts mehr spannendes und unbedingt sehenswertes gibt. Thanjavur war der letzte Höhepunkt im Süden. Und so brüte ich am Vorabend über der Karte und überlege mir den schnellstmöglichen Weg zurück nach Delhi. Die Sache ist die, dass Indien ein verdammt grosses Land ist und, egal wodurch man fährt, es einfach einen Haufen Zeit braucht. Ich merke, dass mir die Inder, vorallem im Verkehr, so langsam auf die Eier gehen , meine Nerven deshalb nicht mehr so gut sind, wie auch schon, und ich so langsam den Drang verspüre, die Visum-Zwangspause so bald wie möglich einzulegen. Zudem lockt die Aussicht, dass ich die Auszeit in den Philippinen bei meiner Freundin verbringen könnte, sofern ich die Problematik mit dem Motorrad in Indien stehen zu lassen, positiv lösen kann. Doch dazu später mehr...
Ich schaue mit also noch ein wenig Puducherry an, laufe am Abend die Uferpromenade entlang und mische mich unter die Hunderten von Indern, die den lauen Abend bevorzugt am Meeresufer verbringen. Und tatsächlich werde ich von ein paar Indern auf Französisch angesprochen. Es stimmt also. Ein Überbleibsel aus der franz. Kolonialzeit. Der „Malecon“ ist leider ziemlich unschön ausgebaut, viel Beton, keine Bäume. Einfach eine lange Strasse ohne Sandstrand, sondern mit grossen Steinblöcken und sehr grobem Kiesel. Ungefähr in der Hälfte der Strasse wurde ein Podium aufgebaut und es werden Sing- und Tanzvorführungen zum Besten gegeben. Ziemlich lustig, aber nach einer gewissen Zeit verlässt mich die Interesse und ich schlendere zurück ins Hotel. Ich wollte am nächsten Morgen früh losfahren....
Wie befürchtet entwickeln sich die nächsten Etappen als zunehmend mühsam. Der Verkehr wird immer schlimmer, die Hitze immer unerträglicher und landschaftlich immer noch nichts Spannendes. Die Strasse erweist sich als einziges Flickwerk. Nur selten sind mal ein paar Kilometer neu gebaut. Ansonsten 100 mal geflickt und entsprechend holprig und mit Schlaglöcher versehen. Trotzdem heisst das Motto Gas geben, so gut es geht. Es ist ein frommer Wunsch, zügig vorwärts kommen zu wollen. Es sind dermassen viele Lastwagen und Busse unterwegs, dass man meinen könnte, Indien hat mehr Lastwagen und Busse als Autos. Es ist grausam! Da es von nun an keine Autobahnen mit vier Spuren gibt, ist das Vorwärtskommen eine richtiggehende Qual. Die zweispurigen Strassen sind fast permanent verstopft von Fussgänger, Esel/Büffel/Kamel-Karren, Tuc-Tucs (in Stadtnähe und natürlich in den Städten), Lastwagen, Motorräder, Lieferwagen, Bussen und Autos (in der Reihenfolge ihrer Geschwindigkeiten), dass es ein ständiges Beschleunigen und Abbremsen ist. Nur sehr selten kann ich mal mit gleich bleibender Geschwindigkeit cruisen. Es ist voll ätzend. Kaum habe ich z.B. einen Lastwagen überholt und einen entsprechenden Geschwindigkeitüberschuss habe, muss ich gleich wieder in die Eisen, weil entweder das nächste Hindernis auf der Strasse fährt oder – noch viel ätzender – wieder mal ein verrückter Inder findet, er müsse trotz Gegenverkehr zum überholen ansetzen. Es sollte bis Dehli eine alles andere als gemütliche Fahrt sein! Dazu kommt die Hitze, die mir ebenfalls zusetzt. Mein Thermometer zeigt Temperaturen von 40 bis 45 Grad an – und das in voller Motorradkluft. Ich fülle mein Camelbag 2x täglich nach. Das sind bereits 4 Liter, die ich zu mir nehme. Dazu halte ich mehrmals an, um eine Zigerette zu rauchen, was richtig Kühles zu trinken oder auch manchmal um was zu essen. Alles in allem trinke ich täglich um die 5-6 Liter! Ich laufe nur noch aus – zu viel des Guten! Aber was soll’s, da muss ich durch...
Durch meine strapazierten Nerven, nervt mich das ewige Geglotze der Inder immer mehr. Sie können ja nicht aus Distanz kucken, nein, sie lassen dich ja kaum von der Maschine steigen, so nahe müssen sie stehen. Und wenn ich wieder wegfahren will, muss ich ihnen beinahe über die Füsse fahren, bis sich eine Gasse durch die Menge gebildet hat. Ich versuche oft, irgend ein Plätzchen zu finden, wo mich niemanden sieht und ich meine Ruhe habe. Aber dies erweist sich als sehr schwierig. Auch wenn ich am Anfang alleine bin, so kraxeln urplötzlich Personen aus den Büschen hervor oder ein Auto oder Motorrad hat mich entdeckt, bremst, setzt zurück und kommt glotzen! Auf dem Lande, stelle ich fest, sind die Englischkenntnisse eher bescheiden, und so stehen viele einfach da und... glotzen. Manchmal schweigend, manchmal heftig über mein Motorrad, über mich, über meine Ausrüstung oder weiss Gott über was diskutierend. Wenn einer ein wenig Englisch kann, fungiert er als Dolmetscher. Und dann kommt er sich wahnsinnig wichtig vor und spielt sich richtig auf. Er ist dann Wissensträger und darum wichtig für die anderen, die ja so was von neugierig sind. Er geniesst diesen Status augenscheinlich genüsslich. Das alles ist ja eine Zeit lang lustig und amüsant, aber, je nach Gemütslage, kann es auch sehr mühsam werden. Nur ganz selten hat man ein wenig Privatsphäre. So gross Indien auch ist, es ist einfach überbevölkert – zu viele Menschen, zu viele Fahrzeuge. Vielleicht nervt das sie selber auch und ist deshalb möglicherweise eine Erklärung, warum die so ungeduldig im Verkehr sind. Ich kann mir auf jeden Fall keinen Reim drauf machen, wieso die Inder so gemeingefährlich unterwegs sind. Einer sagte mir mal, das sei eine Art anzugeben. Es muss auf jeden Fall eine Art Ventil sein. Sind doch die Inder im Allgemeinen eher ruhig, gelassen und (mehr oder weniger) höflich zueinander (zumindest in derselben Kaste), doch sobald sie ein Fahrzeug besteigen, passiert irgendwas in ihrem Hirn. Ist es aufgestauter Frust? Möglich, denn die Inder sind gesellschaftlich in vielen Regeln und ungeschriebenen Gesetzen gefangen. So werden von ihnen gewisse Verhaltensweisen aus religiösen und gesellschaftlichen (Kasten!) Gründen verlangt. Das fängt schon bei der sexuellen Unterdrückung an. So sieht man z.B. nur in Grossstädten von jungen Päärchen, dass sie sich Händchen geben. Und auch das eher selten. Das berühren des anderen Geschlechts ist wie in islamischen Ländern verboten oder zumindest verpönt. Das muss ja frusten, erst recht, wenn sie ausländische Touristen sehen, die Arm in Arm herumschlendern oder sich, um Gottes willen, auch noch küssen! Ein kleines Beispiel: Mir wurde verschiedentlich erzählt, dass an Wochenenden Bussweise Inder an die Strände von Goa geschleppt werden, um halbnackte Ausländerinnen anzuschauen. Da werden richtige Touren organisiert! Ich selbst habe ja in Goa erlebt, wie die Strände sich an Wochenenden mit bis zum Hals zugeknöpften Inder gefüllt haben. Da werden dann mit ihren Handies Fotos von Ausländerinnen im Bikini oder, wenn sie Glück haben sogar „Oben ohne“, geschossen. Eine Trophäe, die dann stolz seinen Freunden gezeigt werden! Mehrere Inder haben mir erzählt, dass sie eigens nach Goa kämen, um ausländische Touristinnen zu jagen, um sexuelle Erfahrungen zu sammeln. Das geht mit Inderinnen unmöglich. Vor der Hochzeit kein Sex! Ganz einfach...
Zurück zur Strasse. So ist für mich möglich, dass ein gewisser Frust an ihrer verrückten Fahrweise schuld ist. Oder ist es schlicht Fatalismus? Man kann ja sein Schicksal nicht abwenden und ausserdem wird man in Indien als Hindu sowieso neu geboren. Also was soll’s? Vollgaaaas!!!
Wie auch immer, aber für einen ausländischen Verkehrsteilnehmer wie mich, bedeutet es einen täglichen Überlebenskampf – im wahrsten Sinne des Wortes! Was soll man noch sagen, wenn ein Lastwagen oder Bus oder Auto zum überholen ansetzt, wenn ich mit voll aufgeblendetem Xenon-Fernlicht, Dauerhupe (2 Klang, 118 Db!) und wildem Armschwenken entgegenkomme und so anzeige, dass nun nicht unbedingt der richtige Moment zum überholen ist? Und was macht er? Er blendet ebenfalls auf, hupt und... überholt trotzdem! Und mir bleibt nichts anderes übrig als voll in die Eisen zu steigen und weg von der Strasse in den Dreck! Dies ist nicht ein Einzelfall sondern kommt täglich mehrmals vor. Logisch geht einem mit der Zeit die Galle hoch. Ein Motorradfahrer wird einfach nicht ernst genommen. Der hat ja immer Platz irgendwo. Nur bin ich viel breiter als die kleinen Mopeds, die hier herumkurven, und brauche entsprechend mehr Platz. Aber das sehen sie nicht ein und verdrängen mich genau so. Was ebenso nervig wie gefährlich ist, ist das hinter einem Fahrzeug hervorkucken. D.h., etwas versetzt vom Vordermann fahren, damit man nach vorne sieht. Das geht ja noch, wenn das nur ein einzelner macht. Dann fährt er mit den Räder ungefähr in der Mitte der Fahrbahn und ragt etwa eine halben Meter auf die Gegenfahrbahn. Aber wenn das ein Zweiter und Dritter macht, dann fährt der Dritte so ungefähr auf deiner Seite und eine ganze Wand kommt auf dich zu. Diese Situation kommt ständig vor. Zum kotzen...
Dasselbe mit dem Überholen von hinten. Wenn es einer überhaupt schafft, mich von hinten zu überholen, dann macht er das unter grösster Gefahr. Da ich schneller als alle anderen Motorräder bin, ja eigentlich als alle Verkehrsteilnehmer, passiert es sehr selten. Man muss höllisch aufpassen. Wenn man zu sehr links fährt (bei Linksverkehr) und nur ein bisschen Platz zur Mitte offen lässt, drängt garantiert ein Auto oder sogar Lastwagen oder Bus neben dich – halb auf der Gegenfahrbahn fahrend – und drängt dich an den Strassenrand. Dann fährt er ein paar Zentimeter hinter dem zu überholenden Fahrzeug (meistens ein Lastwagen) und halb auf der Gegenfahrbahn bis er wirklich überholt. Um dieses Verdrängen möglichst zu vermeiden, fahre ich selbst in der Fahrbahnmitte und mache mich möglichst breit. Und wenn es einer trotzdem versucht, so habe ich schon manche Kämpfe ausgetragen. Ich habe festgestellt, dass man im indischen Verkehr mit viel Selbstbewusstsein, Frechheit und Mut unterwegs sein muss, ansonsten man ganz einfach verdrängt und ständig überholt wird. Es hilft natürlich enorm, wenn man ein grosses Motorrad mit entsprechendem Schub und PS hat. Da staunen die drängelnden Automobilisten sehr, wenn das bedrängte Motorrad einfach mal beschleunigt, ein paar Lastwagen überholt und er selbst im Verkehr hängen bleibt. Das ist der Moment, wo ich dann unter dem Helm lache. Gewisse wollen das nicht auf sich sitzen lassen und versuchen sich an mir anzuhängen, doch ein Motorrad schlüpft halt leichter durch den Verkehr. Allerdings muss ich mich oft zusammenreissen um nicht allzu riskant zu überholen. Es ist ja immer noch eine Reise und ich habe ja viel Zeit, um anzukommen. Und trotzdem... ihr wisst, was ich meine...!
Von all den Tieren auf der Strasse, habe ich bis jetzt noch gar nichts erwähnt.Das ist ein Faktor, der hier in Indien noch um einiges ausgeprägter als sonst wo ist. Noch nirgends habe ich sooooo viele Tiere auf der Fahrbahn erlebt wie hier. Das machen vorallem die Kühe aus, die in Indien ja heilig sind und sich alles erlauben dürfen. Die schlafen sogar auf der Überholspur einer Autobahn und niemand würde sie vertreiben. Auch habe ich noch nie und nirgends so viele Affen auf der Strasse erlebt. Sobald man durch Wälder fahrt, muss man mit ihnen rechnen. Nicht selten erschrak ich, als ich um eine Kurve fuhr und plötzlich vor einer Horde Affen stand. Zum Glück sind sie sehr flink und spritzen geschwind auseinander. Der Schreck sitzt trotzdem in den Knochen. Man muss einfach mit allem rechnen...
Hier noch ein Bild einer typischen Verkehrssituation, wie sie es auf der Strasse sehr oft vorkommt:
Der Lastwagen halb auf meiner Seite und dahinter tauchen plötzlich Kühe auf, die die Strasse überqueren wollen. Ein alltägliches Bild!
Auch das sind leider ganz alltägliche Bilder:
Ich lege nun keine Pausentage mehr ein, sondern versuche so rasch als möglich vorwärts zu kommen. Alles gleicht sich mehr oder weniger, immer noch ist die Landschaft eher langweilig, die Hitze gross und der Verkehr ätzend. Es gibt daher keinen Grund, irgendwo zu pausieren. Der einzige Grund wäre mein Hintern, der sich langsam aber sicher meldet! In Bophal muss ich mich entscheiden, welche Strasse ich Richtung Delhi nehme. Eine führt über Agra (mit dem Taj Mahal). Aber da war ich schon und ich erinnere mich zu gut an das Verkehrschaos in der riesigen Stadt. Ebenso ist die Autobahn nach Delhi eine grosse Baustelle mit viel Verkehrsstau. Also die andere Alternative über Jaipur. Ich war zwar auch dort schon, aber ich sehe auf der Karte, dass die Kleinstadt Bundi auf dem Weg liegt. Ich hatte von anderen Traveller gehört, dass Bundi schön und lohnenswert sei. Ein ehemalige Fürstenstaat mit Palast und Fort, wie es in Rajasthan oft zu sehen ist. Ok, das tönt gut und so gibt es noch was zu besichtigen, bevor ich nach Delhi komme.
Tatsächlich erweist sich auch Bundi als total süsse Stadt mit toller, engverwinkelter Altstadt, wie es eben typisch ist für Rajasthan. Auch hier sind viele Häuser blau angemalt, wie in Jodpur. Der Palast ist recht schön, aber leider kaum renoviert und so ist alles ziemlich heruntergekommen. Zudem kann man leider nur etwa 1/5 der Anlage besuchen, der Rest sei zu gefährlich, weil einsturzgefärdet. Sehr schade. Doch das Flair in der Altstadt und auf dem Markt ist super und auch sehr fotogen. Die Menschen sind auffälligerweise viel freundlicher als die letzten Wochen zuvor im Zentrum und im Süden des Landes. Ich sehe viel mehr lachende Gesichter und werde auch viel mehr angesprochen. Ok, man muss auch sagen, dass die Bewohner mit viel mehr Touristen zu tun haben, als auf meiner vergangenen Strecke. Doch Bundi ist klein und hat beileibe nicht das Ausmass an Touristenströmen wie in den viel bekannteren Jodphur, Jaiphur oder Jaisalmer. Wie auch immer, es tut gut, ein paar Tage Pause zu machen und mit freundlichen Leuten zu schwatzen. Ich rühre das Motorrad für 3 Tage nicht mehr an, sondern schaue mir den Palast genau an, schlendere oft durch die Gassen und den Markt und schiesse viele Fotos. Die Kinder sind ganz wild darauf, fotografiert zu werden, was natürlich sehr dankbar ist. Auch werde ich mehrmals von Leuten in ihr Privathaus eingeladen. Das kam bisher sehr selten vor....
Eine weitere typische Eigenheit, die Bundi vorweisen kann, sind die sogenannten „Treppen- oder Stufenbrunnen“. Das sind Brunnen, in die man nicht einfach einen Kessel runterlässt, sondern man kann über Treppen runtersteigen und dort Wasser aus einem grossen Becken schöpfen. Bundi kann heute noch ein paar von den ursprünglich 50 Brunnen vorweisen. Die meisten sind nur noch Drecklöcher oder mit Abfall übersät, einer ragt jedoch heraus: Der „Rani Ji Ki“-Baori (Baori=Brunnen), benannt nach der Frau des Maharajas, die den Brunnen erbauen lies. Dieser wird gerade renoviert, ist jedoch mit einem Gitter normalerweise verschlossen. Ich hatte das Glück, dass das Eingangsgitter offen stand, da sich gerade Arbeiter darin befanden. Ich nutze die Gelegenheit und schlüpfte herein. Niemanden störte sich daran und ich konnte in aller Ruhe ein paar Fotos machen. Ein schöner mit Pavillons bestandener Park umgibt den Eingang zu diesem 1699 erbauten Baori. Mit seinen reich verzierten Torbögen und schönen Wandreliefs sieht der 46 Meter in die Tiefe führende Treppenschacht eher wie der Eingang zu einer unterirdischen Palastanlage aus. Man kann sich unschwer vorstellen, welch lebhaftes Treiben sich früher, als der Baori neben seiner Funktion als Wasserquelle auch noch beliebter Treffpunkt war, entlang der 70 Treppenstufen abspielte.
Ein paar Bilder davon:
Der schönste Stufenbrunnen Bundis
Nachdem ich etwas länger in Bundi verweilte als eigentlich vorgenommen, startete ich 3 Tage später zu meinen zwei letzten Etappen bis nach Delhi. Letzte Zwischenstation war Jaipur. Die Strasse war nach wie vor sehr mühsam und wie näher ich kam, desto dichter wurde der Verkehr. Immerhin ist Jaipur eine 2,5 Millionen-Stadt und auch Hauptstadt vom Bundestaat Rjasthan. Da die Distanz von Bundi nach Jaipur lediglich ca. 190 km beträgt und auch die Temperaturen mit 38 Grad wieder etwas erträglicher sind, nehme ich die hinterhältigen Angriffe auf mein Leben heute etwas gelassener. Im Laufe des Nachmittags komme ich in Jaipur an und logiere diesmal im Hotel, das mir verschiedentlich empfohlen wurde, das letzte Mal aber, als ich im Dezember in Jaipur vorbeikam, ausgebucht war. Ein cooles, gepflegtes und etwas alternatives Hotel MIT wifi! Ich genoss den Rest des Nachmittags auf der sonnigen Dachterrasse mit ausgezeichnetem Essen und ein paar Biers. Am nächsten Morgen sollte ich die letzte Etappe nach Delhi in Angriff nehmen – endlich!
Endlich fand ich wieder einmal eine richtige Autobahn vor – mit vier Spuren und getrennten Fahrbahnen. Nie hätte ich gedacht, dass ich mich dermassen über Autobahnen freuen würde! Endlich konnte ich wieder lockere 80 bis 100 fahren und hatte immer genügend Platz und die langsamen Lastwagen zu überholen. Aber Achtung! Man darf sich auch auf Autobahnen nicht allzu sehr in Sicherheit wähnen. Denn auch hier kommen immer mal wieder Geisterfahrer entgegen oder es liegen Kühe auf der Strasse rum oder zwei Bauern halten einen Tratsch auf ihren Traktoren ab und dazu stehen (!) beide auf ihren jeweiligen Überholspuren!!! Ein Problem auf den Autobahnen ist, dass alle paar Kilometer der Mittelgrünstreifen geöffnet ist, um ein u-turn zu machen, also zu wenden. Oder eine Ausfahrt auf der anderen Seite zu erreichen. Aus diesem Grunde muss man immer damit rechnen, dass von der Gegenseite her Fahrzeuge die Fahrbahn queren. Gefahr droht also auch von rechts (bei Linksverkehr) und das ausgerechnet auf der Überholspur. Somit wechseln die Bauern oder Anwohner die Fahrbahnseite um eine Aus-oder Zufahrt auf der Gegenseite zu erreichen, und fahren als Geisterfahrer bis zur Zufahrt. Wenn sie ganz links fahren, also am Fahrbahnrand, dann geht das ja gerade noch, aber einige meinen, sie müssten auf der Überholspur fahren, weil das ja ihre angestammte linke Seite, also die richtige Seite ist!!!! Entweder strohdumm oder völlig ignorant so was...! Eigentlich müssten sie an der Aus-oder Zufahrt vorbeifahren, dann auf die andere Fahrbahnhälfte wechseln und das Stück von der richtigen Richtung her wieder zurückfahren um dann links abzubiegen. Also immer aufpassen, ob der Lastwagen da vorne in die gleiche Richtung fährt, still steht oder sogar entgegenkommt...!
Da sich auch heute die Distanz mit 250 km in Grenzen hält und ich erst noch praktisch die ganze Strecke auf einer 4-spurigen Autobahn fahren kann, erreiche ich Delhi relativ rasch. Einmal mehr habe ich einen Tipp von meinem Freund Lambert, der indische Tourguide. Er hat einen Freund, der in Delhi zwei Hotels gepachtet hat und mich vorangemeldet. Entsprechend werde ich freudig empfangen und bevorzugt behandelt. Es ist schon fast peinlich. So was von arschschleckerisch. Aber ich schaue darüber hinweg und geniesse den ausgezeichneten Service. Immerhin handelt es sich um ein 3-Sterne-Hotel, das sich ganz in der Nähe des berühmten Connaught-Platz, dem gefühlten grössten Kreisverkehr der Welt. Also sehr gut gelegen und alles was man braucht in der näheren Umgebung. Das Hotel hat eine sichere Garage und es ist überhaupt kein Problem, mein Motorrad unterzubringen. Ich muss ja das Land für mind. 2 Monate verlassen bevor ich ein neues Visum erhalte und nun beginnt die Jagd nach der richtigen Information, ob ich das Land ohne Motorrad überhaupt verlassen kann und ob ich das Motorrad länger als 6 Monate im Land belassen kann. Zu meiner freudigen Überraschung habe ich wenige Telefonate später bereits eine Antwort, der ich vertrauen möchte. Man hilft mir mit meinem Problem grosszügig und eifrig. Ein Freund des Rezeptionisten ist Inhaber eines Tourbüros, das auf organisierte Motorradtouren in Indien und Nepal spezialisiert ist. Er spricht logischerweise ausgezeichnet Englisch und versteht mein Problem bestens. Er meint, es sei überhaupt kein Problem. Er hätte diese Situation mit einigen anderen Motorradreisenden schon durchgespielt. Das einzig Wichtige sei, dass das Carnet de Passage noch über die Zeit hinaus gültig ist. Jippihhh, das war die Antwort, die ich hören wollte. Er tönte auch sehr überzeugt und deshalb will ich ihm glauben. Das ging schnell...
Der sehr nette und hilfsbereite Hotelmanager erlaubt mir ohne zu zögern, das Motorrad in der Garage für die nächsten 3 Monate stehen lassen zu dürfen. Ich müsste mir überhaupt keine Sorgen machen. Auch mein ganzes Gepäck wird in denAufbewahrungsraumgestaut. Ich kaufe noch eine Decke, um das alles einzupacken. Auch besorge ich mir in der nahe gelegenen Motorrad-und Autozubehör-Strasse (sehr praktisch!) eine „Motorradgarage“ aus Stoff um die BMW von neugierigen Blicken zu schützen. Ein schönes „Royal Enfield“-Emblem ist auf der Blache aufgedruckt und führt zusätzlich in die Irre.
Ich schmiere noch den Wächter grosszügig und nun kann ich mir sicher sein, dass meinem Baby nichts passieren wird. Ich erkundigte mich vorher beim Wächter, wie den sein Arbeitspensum aussieht. Demnach arbeitet er 28 Tage am Stück und hat dann 2 Tage frei!!! Geschlafen wird auf einer Pritsche in der Garage (gleich neben meinem Töff!). Das sollten sich mal unsere Gewerkschaften vor Augen führen! Ein weiterer Beweis, was für ein schönes Leben wir in unserer Schweiz führen... Wie dem auch sei, dies ist der richtige Mann um zu schmieren. Seine Augen glänzten und er war überglücklich über die 500 Ruppies, die ich ihm gab. Das wird wohl für ihn ein ganzer Monatslohn sein, für mich bedeutet es einen Einsatz von Fr. 9.50 und ich weiss, dass er das Motorrad wie seinen Augapfel hütet, denn ich habe ihm einen weiteren Schein versprochen, wenn nach meiner Rückkehr alles in Ordnung ist.
Ein weiterer Freund von Lambert führt ein Reisebüro in Delhi. Ich kontaktiere ihn, damit er mir einen günstigen, baldmöglichsten Flug auf die Philippinen organisiert. Auch das steht innert Tagesfrist. ..
Das indische Gesetz schreibt seit dem Bombenattentat in Bombay im Jahre 2006 vor, dass man nach Ablauf der Visumlaufzeit das Land für mindestens 2 Monate verlassen muss, bevor man ein neues Visum erhält. Das wusste ich von Anfang an und mein Plan war ursprünglich, dass ich diese 2 Monate in Sri Lanka verbringen werde. Da nun aber der Fährbetrieb, nach dem Krieg auf Sri Lanka, noch nicht in Betrieb genommen wurde und ich nicht mit vielen Mühen und Kosten per Luftfracht und Flugzeug rüber wollte, hatte ich mich entschlossen, zu meiner Freundin zu gehen. Sicher kein schlechter Entscheid, hätten wir uns doch volle 2 Jahre nicht gesehen. Dazu dämmerte mir, dass ich, wenn ich Juni oder Juli von Sri Lanka wieder zurück nach Indien zurückkommen würde, ich fast das ganze Land in der Monsunzeit hätte durchqueren müssen. Das wäre sicherlich eine Qual gewesen. Und nun, da ich das Land bereits durchquert habe, weiss ich, was mich erwartet hätte und ich bin sehr froh darüber, dass ich nun bereits in Dehli bin. Es wird viel einfacher sein, den nächsten Teil der Reise, der Norden mit Kashmir und der Himalayaregion, von Delhi aus zu starten. Delhi befindet sich schliesslich bereits weit im Norden und von dort aus ist es ein Katzensprung bis nach Kashmir, na ja, mehr oder weniger...
Nun bin ich also für 3 Monate in den Philippinen bei meiner Freundin und erhole mich von der indischen Intensität in unserem Haus. Was für eine Disziplin und Ruhe auf den Strassen! Herrlich! Endlich hört das ewige und nervige Dauergehupe auf, die Menschen fahren auf ihrer Fahrbahnseite und überholen nicht erst im letzten Moment...
Auch habe ich nun wieder schön Zeit, um meine Webseite aufzudatieren und auch einem anderen Hobby zu frönen: das Tauchen. Auch werde ich mich auf der indischen und pakistanischen Botschaft in Manila um ein neues Visum kümmern. Ich werde mich also erst wieder im August mit meinem nächsten Bericht melden, denn diese 3 Monate gelten nicht zur eigentlichen Reise, da ich ja hier stationär bin. Die Philippinen werde ich dann dokumentieren, wenn ich MIT dem Motorrad angekommen bin und das Land bereisen werde. Das wird planungsmässig ab Juli 2012 sein.
Im nächsten Bericht werde ich dann von Kashmir und, sollte ich ein weiteres Visum von Pakistan erhalten, vom Karakorum Highway, der berühmten Strasse, die Pakistan mit China verbindet und an ein paar Achttausender entlang führt. Es ist die höchstgelegene Fernstrasse der Welt! Sehr spektakulär, aber dazu mehr, wenn ich sie (hoffentlich) tatsächlich befahren haben werde...
In der Zwischenzeit wünsche ich euch einen tollen und unfallfreien Sommer. Bis dann...
Liebe Grüsse aus Tagbilaran, Bohol, Philippinen
Euer Thierry
6. Mai 2011
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Die Philippinen
Die See ist die ganze Zeit über ruhig und so verbringen wir eine sehr angenehme Fahrt. Wir schlafen zwar sehr gut und auch lang, aber es dauert trotzdem noch lange bis zur Ankunft. 22 Stunden sind verdammt lang!
Endlich kommen wir am Abend in Zamboanga an. Uns ist mulmig, denn Zamboanga liegt im Süden von Mindanao, der zweitgrössten Insel der Philippinen, und ist Abu Sajaf–Gebiet, die islamistische und terroristische Rebellenbewegung. Der Süden von Mindanao ist touristisches „no go“-Gebiet, denn hier wurden schon einige Entführungen und Terroranschläge durchgeführt. Doch wir haben keine Wahl, die einzige Fähre, die die Philippinen anläuft, kommt hier an. Allerdings werden wir beruhigt, denn offenbar ist die Stadt sicher. Es sei mehr auf dem Land ausserhalb von Zamboanga und zwischen den Städten gefährlich. Eigentlich wollten wir die Insel per Motorrad von Süd nach Nord durchqueren, von Zamboanga nach Cagayan de Oro. Dort gibt es auch Fähren und die Fahrt zu unserem nächsten Ziel, Cebu City, ist wesentlich kürzer. Doch alle die wir fragen, raten uns dringenst davon ab. Wir würden nicht weit kommen und überfallen werden. Garantiert! Wir würden mit unseren schwer beladenen und grossen Motorrädern sofort auffallen. Dann würde per Handy rasch zum nächsten Dorf berichtet werden und schon sei es um uns geschehen. Ok, ok... wir verstanden. Zum Glück gab es eine Fährverbindung von Zamboanga direkt nach Cebu City. Allerdings würde die erst in 3 Tagen lossegeln. Shit, 3 Tage in Zamboanga rumhängen und nichts unternehmen dürfen. Tönt nicht sehr spannend. Dazu dauert die Fahrt weitere 19 Stunden. Nochmals 19 Stunden auf einer Fähre, oh Mann... Aber was soll man machen? Da mussten wir eben durch...
Ich war noch aus einem anderen Grund nervös. Ich fürchtete den Zoll, denn erstens habe ich Schlimmes im Internet gelesen und zweitens wollte ich mein Motorrad in den Philippinen stehen lassen. So hiess es, dass man bei der Einreise eine Kaution in der Höhe des Wertes des Motorrades bezahlen müsse und dass man das Land nur durch den gleichen Zoll wieder verlassen könne, wo man eingereist war. Beides war für mich keine Option! Dazu kam, dass ich das Motorrad bei meiner Freundin in unserem Haus auf Bohol, einer Nachbarinsel von Cebu und im unteren Drittel von den Philippinen gelegen, stehen lassen wollte. Das Motorrad hatte nun schon über 130'000 km auf der Uhr und hatte schon so einiges mitgemacht, dass ich erstens für die Fortsetzung meiner Weltreise ein neues Motorrad kaufen wollte und zweitens in Zukunft, wenn ich auf die Philippinen in mein zweites Zuhause kommen werde, ein anständiges Motorrad zur Verfügung haben wollte. Ein grosses Motorrad in den Philippinen ist eine äusserst teure Angelegenheit, denn der Staat verdoppelt durch Einfuhr- und Luxussteuern quasi den europäischen Kaufpreis! Also konnte ich mit meinem Plan gleich zwei Fliegen auf einmal schlagen. Doch wie kam ich durch den Zoll, ohne dass ich das Motorrad registrieren musste? Bestechen? Einen Schlupfwinkel im Zollgelände suchen? Meine Freunde in den Philippinen meinten, dass ich einfach normal einreisen solle und sobald ich einmal im Land war, liesse sich alles irgendwie zurecht biegen. Einer der wenigen Vorteile der Korruption! Nun gut, wir kamen im Hafen an, das Schiff war kaum vertäut, wir waren am Umziehen und am unser Gepäck ausrichten, da kam ein junger Mann in zivilen Klamotten und verlangte nach einer Fotokopie unserer Pässe und Fahrzeugausweise. Es sei für den Zoll. Ok, machten wir. Und nun? Ich fragte ihn, ob noch eine Zollkontrolle stattfinden würde und ob wir das Fahrzeug noch in den Pass gestempelt bekommen würden oder sonst irgendein Papier erhalten würden. Er verneinte zum unserem Erstaunen alles. Die Kopien seien lediglich für den Hafenzoll, für ihre Buchhaltung. Das sei alles, Wir könnten gehen... Wie bitte? Das war schon alles? Ich traute meinen Ohren nicht, aber auch diesem einfachen Prozedere nicht so richtig. Das wäre ja sensationell, wenn wir so einfach ins Land kommen würden. Aber da war ja noch die Immigration, die unseren Pass noch abstempeln musste. Die würden bestimmt noch was sagen wegen den Bikes. Ich war mir sicher, das konnte doch einfach nicht sein.
Das Ausladen der Motorräder war diesmal noch spektakulärer, denn der Pier war viel niedriger als in Sandakan und die Ausladeluke entsprechend höher oben. Das bedeutete, dass diesmal nicht nur ein Hubstapler das Motorrad von innen in die Höhe heben musste, sondern ein zweiter Hubstapler von aussen die Palette übernehmen und wieder runterhieven musste! Ziemlich ungemütliche und wacklige Sache, aber es funktionierte. Ich war froh, wieder festen Boden unter der Palette zu spüren. Nun mussten wir zu einer Lagerhalle fahren, wo Hafenpolizisten mit umgehängten Maschinenpistolen den Eingang bewachten. Die kuckten schon von weitem, wie wir angerollt kamen. Ich hätte keine Chance gehabt, irgendwo durch eine Lücke im Zaun oder so abzuhauen, das war klar. Also stellten wir die Motorräder am Eingang ab und übergaben sie Sprüche klopfend in die Obhut der Polizisten während wir uns in die Schlange stellen. Endlich sind wir an der Reihe und ich bin ja so was von gespannt, ob der Beamte irgendwas zum Motorrad sagt. Aber nein, zügig und ohne Fragen stempelt er den Pass ab und heisst mich auf den Philippinen willkommen. Nun kommt noch der letzte Teil: das Herausfahren aus dem Hafengelände. Normalerweise gibt es noch ein letztes Tor, wo die Papiere kontrolliert werden. Wir verabschieden uns von den Polizisten und fahren Richtung Ausgang los. Ein Tor ist zwar da, aber es ist unbesetzt. Niemand hält uns auf und schon sind wir draussen. Wow, ich kann es nicht glauben, so einfach habe ich nun wirklich noch nie mein Motorrad in ein Land eingeführt. Unbehelligt fahren wir höchstens 2 Kilometer der Küste nach, bis wir das Hotel aufgrund der Beschreibung von Kamarul finden. Kein Problem. Wir checken ein und können die Motorräder in einen bewachten und abgesperrten Bereich fahren. So, da wären wir!
Wir verbrachten die 3 Tage mehrheitlich im Hotel, das mir von Kamarul empfohlen wurde und nahe am Hafen stand, trauten uns aber trotzdem ab und zu in der näheren Umgebung Spaziergänge zu machen. Es gab ein spanisches Fort und eine alte Kirche gleich in der Nähe. So konnte Miquel wenigstens etwas für seinen Bericht über die spanischen Spuren festhalten. Obwohl wir in moslemischem Gebiet waren, sah ich wenige Kopftücher. Die historische Kirche, die übrigens völlig offen war, also kein Dach oder Seitenmauern mehr sondern nur noch eine Rückwand und ein Altar aufwies, war voll besetzt. Es war eher ein Park mit Altar an der Rückseite des alten Forts. Zu meiner Überraschung sang der Pfarrer die predigt – und zwar wunderschön. Es lief mir sogar kalt den Rücken runter. Und als alle Versammelten ein Lied sang, war das so schön, das mir beinahe die Tränen kamen. Es war wirklich sehr berührend. Ich kann mich nicht erinnern, wann und ob mich überhaupt einmal eine Predigt dermassen berührt hatte. Sehr beeindruckend und sehr schön.
Wir mussten am nächsten Tag ebenfalls unsere Tickets für die Fähre nach Cebu- City organisieren. Wir trauten uns nicht, mit den Motorrädern durch die Stadt zu fahren. So nahmen wir die typisch philippinischen „Trycycle“, ein 125er Motorrad mit angebautem und überdachtem Zweisitzer. Wir hatten die Adresse aus dem Internet und so war es kein Problem, das Büro zu finden. Alles lief bestens ab. Es hatte noch Platz, wir konnten die Maschinen einladen und... es gab keinen Zoll mehr. Nur war es noch ein ziemlicher administrativer Papierkrieg. So mussten wir z.B. die „Bill of Loading“, die Frachtpapiere bei der Highway Police abstempeln lassen. Dort wurde ohne richtig hinzusehen einfach ein grosser Stempel auf das erste Papier geknallt, ein Unterschrift drauf gekritzelt und fertig war. Ein absoluter Nonsense, gut für nichts. Aber eine weitere Hürde, die wir nehmen mussten, bis wir alles klar gemacht hatten.
Diesmal war das Verladen der Motorräder um einiges einfacher. Die Fähre war etwa zwei Nummern grösser und hatte eine anständige Rampe, die seitlich auf das Pier gelassen werden konnte. Nun konnten wir locker selbstständig reinfahren.
Leider bekamen wir keine Kabine mehr, sondern nur noch die günstigste Kategorie. Das bedeutete, dass wir unseren Schlafraum mit etwa zweihundert Anderen teilen mussten. Man kann sich ja vorstellen, was da die ganze Nacht abging. Die Fahrt ging ja wie gesagt 19 Stunden und man wäre froh um ein paar Stunden Schlaf gewesen. Mehr als ein Dösen war es allerdings nicht und als wir ankamen, war ich richtig groggy. Aber Hauptsache endlich in Cebu-City. Wir kamen ungefähr morgens um 6 Uhr an. Mein Freundin Lileth, die ja auf der Nachbarinsel wohnt (etwa 2:45 Stunden mit der Fähre entfernt) kam bereits am Tag zuvor nach Cebu-City, um mich am Hafen abholen zu können. Als die Rampe runterging und ich hinausfahren konnte, stand sie auch schon da! Fast ein Jahr hatten wir uns nicht mehr gesehen - seit der erzwungenen 2-monatigen Visa-Pause in Indien.
Nachdem wir uns von Miquel verabschiedet hatten, gingen wir gleich zur nächsten Fähre, die in Kürze nach Bohol auslaufen würde. Wieder wurde das Verladen des Motorrades schwierig, denn die Fähre war klein und nicht auf Fracht ausgerichtet. Es war eine reine Personenfähre! Doch wir sind ja schliesslich in den Philippinen und hier ist alles irgendwie möglich. Also meinte der Captain, dass ich doch die Fussgängerrampe hochfahren soll und mein Bike ganz vorne vor der ersten Sitzbank parkieren solle. Das wird schon gehen. Ok, es ging, aber ich musste die Seitenkoffer abnehmen und auch so passte das Motorrad gerade so eben zwischen die Geländer der Planke. Mit ach und Krach konnten wir das Motorrad an Bord bringen. Mit würgen und hängen geht eben manches! Endlich die letzte Etappe bis nach Hause. Ich hatte im Moment die Schnauze voll von Fähren, ausserdem war ich ziemlich müde, nach der vergangenen kurzen Nacht.
Wir kamen in Tubigon an. Von da war es noch etwa ein Stunde Fahrt bis zu unserem Haus in Totolan bei Tagbilaran, der Hauptstadt von Bohol. Ich konnte es kaum erwarten, endlich durch unser Gartentor zu fahren und unsere Hunde zu begrüssen. Wie oft hatte ich mir das auf der Reise ausgemalt und nun war es gleich soweit. Es bedeutet das Ende der zweiten Etappe, denn wir werden zwar sicher den einen oder anderen Ausflug mit dem Motorrad machen, aber das gehört nicht mehr offiziell zu meiner Reise um die Welt.
Die Philippinen sind mittlerweile so was wie meine zweite Heimat geworden, denn seit 8 Jahren sind Lileth und ich zusammen und wir haben in dieser Zeit schon viele Reisen auf den Philippinen unternommen. Jetzt will ich mich erst mal von der langen Reise erholen, Fotos selektionieren, die restlichen Berichte schreiben und vorallem die unzähligen Eindrücke verdauen. Bis im August werde ich noch in den Philippinen bleiben und dann zurück in die Schweiz kommen um die nächste Etappe der Weltumrundung vorzubereiten. Die soll dann im Juli 2013 in Indonesien losgehen und mich über Australien, Neuseeland, Südkorea, Japan, Mongolei und Russland wieder nach Europa bringen...
Vielen Dank an alle, die meine Berichte mitverfolgt haben. Ich würde mich überaus glücklich schätzen, wenn ich dabei den einen oder anderen ermutigt habe sollte, seinen Traum endlich anzupacken und umzusetzen. Und diejenigen, die die Berichte einfach so gelesen haben, im Geist in ferne Länder geschweift sind und dabei die Zeit völlig vergessen haben, haben dabei hoffentlich ihrerseits einen neuen Traum geboren. Auch dies ist einer der Zwecke dieser Berichte. Wie auch immer, bestehender oder neuer Traum, ich ermutige euch alles daran zu setzen, ihn Realität werden zu lassen. Ihr werdet dafür reich belohnt werden...
Liebe Grüsse aus Totolan (Bohol, Philippinen)
Euer Thierry
16. Juni 2012