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Die Philippinen


Die See ist die ganze Zeit über ruhig und so verbringen wir eine sehr angenehme Fahrt. Wir schlafen zwar sehr gut und auch lang, aber es dauert trotzdem noch lange bis zur Ankunft. 22 Stunden sind verdammt lang!

Endlich kommen wir am Abend in Zamboanga an. Uns ist mulmig, denn Zamboanga liegt im Süden von Mindanao, der zweitgrössten Insel der Philippinen, und ist Abu Sajaf–Gebiet, die  islamistische und terroristische Rebellenbewegung. Der Süden von Mindanao ist touristisches „no go“-Gebiet, denn hier wurden schon einige Entführungen und Terroranschläge durchgeführt. Doch wir haben keine Wahl, die einzige Fähre, die die Philippinen anläuft, kommt hier an. Allerdings werden wir beruhigt, denn offenbar ist die Stadt sicher. Es sei mehr auf dem Land ausserhalb von Zamboanga und zwischen den Städten gefährlich. Eigentlich wollten wir die Insel per Motorrad von Süd nach Nord durchqueren, von Zamboanga nach Cagayan de Oro. Dort gibt es auch Fähren und die Fahrt zu unserem nächsten Ziel, Cebu City, ist wesentlich kürzer. Doch alle die wir fragen, raten uns dringenst davon ab. Wir würden nicht weit kommen und überfallen werden. Garantiert! Wir würden mit unseren schwer beladenen und grossen Motorrädern sofort auffallen. Dann würde per Handy rasch zum nächsten Dorf berichtet werden und schon sei es um uns geschehen. Ok, ok... wir verstanden. Zum Glück gab es eine Fährverbindung von Zamboanga direkt nach Cebu City. Allerdings würde die erst in 3 Tagen lossegeln. Shit, 3 Tage in Zamboanga rumhängen und nichts unternehmen dürfen. Tönt nicht sehr spannend. Dazu dauert die Fahrt weitere 19 Stunden. Nochmals 19 Stunden auf einer Fähre, oh Mann... Aber was soll man machen? Da mussten wir eben durch...

Ich war noch aus einem anderen Grund nervös. Ich fürchtete den Zoll, denn erstens habe ich Schlimmes im Internet gelesen und zweitens wollte ich mein Motorrad in den Philippinen stehen lassen. So hiess es, dass man bei der Einreise eine Kaution in der Höhe des Wertes des Motorrades bezahlen müsse und dass man das Land nur durch den gleichen Zoll wieder verlassen könne, wo man eingereist war. Beides war für mich keine Option! Dazu kam, dass ich das Motorrad bei meiner Freundin in  unserem Haus auf Bohol, einer Nachbarinsel von Cebu und im unteren Drittel von den Philippinen gelegen, stehen lassen wollte. Das Motorrad hatte nun schon über 130'000 km auf der Uhr und hatte schon so einiges mitgemacht, dass ich erstens für die Fortsetzung meiner Weltreise ein neues Motorrad kaufen wollte und zweitens in Zukunft, wenn ich auf die Philippinen in mein zweites Zuhause kommen werde, ein anständiges Motorrad zur Verfügung haben wollte. Ein grosses Motorrad in den Philippinen ist eine äusserst teure Angelegenheit, denn der Staat verdoppelt durch Einfuhr- und Luxussteuern quasi den europäischen Kaufpreis! Also konnte ich mit meinem Plan gleich zwei Fliegen auf einmal schlagen. Doch wie kam ich durch den Zoll, ohne dass ich das Motorrad registrieren musste? Bestechen? Einen Schlupfwinkel im Zollgelände suchen? Meine Freunde in den Philippinen meinten, dass ich einfach normal einreisen solle und sobald ich einmal im Land war, liesse sich alles irgendwie zurecht biegen. Einer der wenigen Vorteile der Korruption! Nun gut, wir kamen im Hafen an, das Schiff war kaum vertäut, wir waren am Umziehen und am unser Gepäck ausrichten, da kam ein junger Mann in zivilen Klamotten und verlangte nach einer Fotokopie unserer Pässe und Fahrzeugausweise. Es sei für den Zoll. Ok, machten wir. Und nun? Ich fragte ihn, ob noch eine Zollkontrolle stattfinden würde und ob wir das Fahrzeug noch in den Pass gestempelt bekommen würden oder sonst irgendein Papier erhalten würden. Er verneinte zum unserem Erstaunen alles. Die Kopien seien lediglich für den Hafenzoll, für ihre Buchhaltung. Das sei alles, Wir könnten gehen... Wie bitte? Das war schon alles? Ich traute meinen Ohren nicht, aber auch diesem einfachen Prozedere nicht so richtig. Das wäre ja sensationell, wenn wir so einfach ins Land kommen würden. Aber da war ja noch die Immigration, die unseren Pass noch abstempeln musste. Die würden bestimmt noch was sagen wegen den Bikes. Ich war mir sicher, das konnte doch einfach nicht sein.

Das Ausladen der Motorräder war diesmal noch spektakulärer, denn der Pier war viel niedriger als in Sandakan und die Ausladeluke entsprechend höher oben. Das bedeutete, dass diesmal nicht nur ein Hubstapler das Motorrad von innen in die Höhe heben musste, sondern ein zweiter Hubstapler von aussen die Palette übernehmen und wieder runterhieven musste! Ziemlich ungemütliche und wacklige Sache, aber es funktionierte. Ich war froh, wieder festen Boden unter der Palette zu spüren. Nun mussten wir zu einer Lagerhalle fahren, wo Hafenpolizisten mit umgehängten Maschinenpistolen den Eingang bewachten. Die kuckten schon von weitem, wie wir angerollt kamen. Ich hätte keine Chance gehabt, irgendwo durch eine Lücke im Zaun oder so abzuhauen, das war klar. Also stellten wir die Motorräder am Eingang ab und übergaben sie Sprüche klopfend in die Obhut der Polizisten während wir uns in die Schlange stellen. Endlich sind wir an der Reihe und ich bin ja so was von gespannt, ob der Beamte irgendwas zum Motorrad sagt. Aber nein, zügig und ohne Fragen stempelt er den Pass ab und heisst mich auf den Philippinen willkommen. Nun kommt noch der letzte Teil: das Herausfahren aus dem Hafengelände. Normalerweise gibt es noch ein letztes Tor, wo die Papiere kontrolliert werden. Wir verabschieden uns von den Polizisten und fahren Richtung Ausgang los. Ein Tor ist zwar da, aber es ist unbesetzt. Niemand hält uns auf und schon sind wir draussen. Wow, ich kann es nicht glauben, so einfach habe ich nun wirklich noch nie mein Motorrad in ein Land eingeführt. Unbehelligt fahren wir höchstens 2 Kilometer  der Küste nach, bis wir das Hotel aufgrund der Beschreibung von Kamarul finden. Kein Problem. Wir checken ein und können die Motorräder in einen bewachten und abgesperrten Bereich fahren. So, da wären wir!

Wir verbrachten die 3 Tage mehrheitlich im Hotel, das mir von Kamarul empfohlen wurde und nahe am Hafen stand, trauten uns aber trotzdem ab und zu in der näheren Umgebung Spaziergänge zu machen. Es gab ein spanisches Fort und eine alte Kirche gleich in der Nähe. So konnte Miquel wenigstens etwas für seinen Bericht über die spanischen Spuren festhalten. Obwohl wir in moslemischem Gebiet waren, sah ich wenige Kopftücher. Die historische Kirche, die übrigens völlig offen war, also kein Dach oder Seitenmauern mehr sondern nur noch eine Rückwand und ein Altar aufwies, war voll besetzt. Es war eher ein Park mit Altar an der Rückseite des alten Forts. Zu meiner Überraschung sang der Pfarrer die predigt – und zwar wunderschön. Es lief mir sogar kalt den Rücken runter. Und als alle Versammelten ein Lied sang, war das so schön, das mir beinahe die Tränen kamen. Es war wirklich sehr berührend. Ich kann mich nicht erinnern, wann und ob mich überhaupt einmal eine Predigt dermassen berührt hatte. Sehr beeindruckend und sehr schön.

Wir mussten am nächsten Tag ebenfalls unsere Tickets für die Fähre nach Cebu- City organisieren. Wir trauten uns nicht, mit den Motorrädern durch die Stadt zu fahren. So nahmen wir die typisch philippinischen „Trycycle“, ein 125er Motorrad mit angebautem und überdachtem Zweisitzer. Wir hatten die Adresse aus dem Internet und so war es kein Problem, das Büro zu finden. Alles lief bestens ab. Es hatte noch Platz, wir konnten die Maschinen einladen und... es gab keinen Zoll mehr. Nur war es noch ein ziemlicher administrativer Papierkrieg. So mussten wir z.B. die „Bill of Loading“, die Frachtpapiere bei der Highway Police abstempeln lassen. Dort wurde ohne richtig hinzusehen einfach ein grosser Stempel auf das erste Papier geknallt, ein Unterschrift drauf gekritzelt und fertig war. Ein absoluter Nonsense, gut für nichts. Aber eine weitere Hürde, die wir nehmen mussten, bis wir alles klar gemacht hatten.

Diesmal war das Verladen der Motorräder um einiges einfacher. Die Fähre war etwa zwei Nummern grösser und hatte eine anständige Rampe, die seitlich auf das Pier gelassen werden konnte. Nun konnten wir locker selbstständig reinfahren.
Leider bekamen wir keine Kabine mehr, sondern nur noch die günstigste Kategorie. Das bedeutete, dass wir unseren Schlafraum mit etwa zweihundert Anderen teilen mussten. Man kann sich ja vorstellen, was da die ganze Nacht abging. Die Fahrt ging ja wie gesagt 19 Stunden und man wäre froh um ein paar Stunden Schlaf gewesen. Mehr als ein Dösen war es allerdings nicht und als wir ankamen, war ich richtig groggy. Aber Hauptsache endlich in Cebu-City. Wir kamen ungefähr morgens um 6 Uhr an. Mein Freundin Lileth, die ja auf der Nachbarinsel wohnt (etwa 2:45 Stunden mit der Fähre entfernt) kam bereits am Tag zuvor nach Cebu-City, um mich am Hafen abholen zu können. Als die Rampe runterging und ich hinausfahren konnte, stand sie auch schon da! Fast ein Jahr hatten wir uns nicht mehr gesehen - seit der erzwungenen 2-monatigen Visa-Pause in Indien.

Nachdem wir uns von Miquel verabschiedet hatten, gingen wir gleich zur nächsten Fähre, die in Kürze nach Bohol auslaufen würde. Wieder wurde das Verladen des Motorrades schwierig, denn die Fähre war klein und nicht auf Fracht ausgerichtet. Es war eine reine Personenfähre! Doch wir sind ja schliesslich in den Philippinen und hier ist alles irgendwie möglich. Also meinte der Captain, dass ich doch die Fussgängerrampe hochfahren soll und mein Bike ganz vorne vor der ersten Sitzbank parkieren solle. Das wird schon gehen. Ok, es ging, aber ich musste die Seitenkoffer abnehmen und auch so passte das Motorrad gerade so eben zwischen die Geländer der Planke. Mit ach und Krach konnten wir das Motorrad an Bord bringen. Mit würgen und hängen geht eben manches! Endlich die letzte Etappe bis nach Hause. Ich hatte im Moment die Schnauze voll von Fähren, ausserdem war ich ziemlich müde, nach der vergangenen kurzen Nacht.

Wir kamen in Tubigon an. Von da war es noch etwa ein Stunde Fahrt bis zu unserem Haus in Totolan bei Tagbilaran, der Hauptstadt von Bohol. Ich konnte es kaum erwarten, endlich durch unser Gartentor zu fahren und unsere Hunde zu begrüssen. Wie oft hatte ich mir das auf der Reise ausgemalt und nun war es gleich soweit. Es bedeutet das Ende der zweiten Etappe, denn wir werden zwar sicher den einen oder anderen Ausflug mit dem Motorrad machen, aber das gehört nicht mehr offiziell zu meiner Reise um die Welt.

Ankunft in meinem Haus - das Ziel der zweiten Etappe ist erreicht!
 

Die Philippinen sind mittlerweile so was wie meine zweite Heimat geworden, denn seit 8 Jahren sind Lileth und ich zusammen und wir haben in dieser Zeit schon viele Reisen auf den Philippinen unternommen. Jetzt will ich mich erst mal von der langen Reise erholen, Fotos selektionieren, die restlichen Berichte schreiben und vorallem die unzähligen Eindrücke verdauen. Bis im August werde ich noch in den Philippinen bleiben und dann zurück in die Schweiz kommen um die nächste Etappe der Weltumrundung vorzubereiten. Die soll dann im Juli 2013 in Indonesien losgehen und mich über Australien, Neuseeland, Südkorea, Japan, Mongolei und Russland wieder nach Europa bringen...

Vielen Dank an alle, die meine Berichte mitverfolgt haben. Ich würde mich überaus glücklich schätzen, wenn ich dabei den einen oder anderen ermutigt habe sollte, seinen Traum endlich anzupacken und umzusetzen. Und diejenigen, die die Berichte einfach so gelesen haben, im Geist in ferne Länder geschweift sind und dabei die Zeit völlig vergessen haben, haben dabei hoffentlich ihrerseits einen neuen Traum geboren. Auch dies ist einer der Zwecke dieser Berichte. Wie auch immer, bestehender oder neuer Traum, ich ermutige euch alles daran zu setzen, ihn Realität werden zu lassen. Ihr werdet dafür reich belohnt werden...


Liebe Grüsse aus Totolan (Bohol, Philippinen)

Euer Thierry




16. Juni 2012

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